Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

DOI Artikel:
G.: Älteste Germanische Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0108

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Alteste Germanische Kunft.

Der Rasseneigentümlichkeit der Germanen widmet
Haupt einen längeren Abschnitt, der seinem patriotischen
Empfinden, dessen Berechtigung durch die Tatsachen
wohlbegründet ist, das ehrendste Zeugnis ausstellt.
„Ich stehe nicht an, zu behaupten, daß ohne jeden
Zweifel, was Italien, Spanien, Frankreich, England
feit dem frühen Mittelalter in der Kunst schuf und
leistete, nur dem gewaltigen Zufluß jungen ger-
manischen Blutes zu danken war und ist. In dem
wunderschönen Lande Italien hat sich seit tausend
Jahren nur soweit jene unvergleichliche Kultur- und
Kunstblüte erschlossen, als der reiche Strom ger-
manischen Blutes das Land befruchtet hatte; ja selbst
Rom hat, wie bekannt, „kaum mehr als einen
Künstler hervorgebracht". Alles was dort großes
wirkte, entstammte nördlicheren Gauen. Südlich von
Rom schläft mit Pompeji die alte Schönheit, die
herrlichste Kultur, den bleiernden Schlaf des Alters
und der Asche."

Dem „allgemeinen Teil" läßt der Verfasser
einen Abschnitt über „Gräber und Kleinwerk" folgen,
in welchem neben Kleidung, Schmuck, Bewaffnung
u. a. Grabbeigaben auch die Holzbaukunst behan-
delt wird, Haupt weist dem Holz bzw. der bjolz-
bearbeitung eine grundlegende Bedeutung bei der Ge-
staltung des germanischen Ornaments zu. „Noch
bis heute ist der Deutsche derjenige Nlensch, der am
wenigsten ohne das Holz leben kann; seine ganze
Kunst und Gestaltungskraft in der Vergangenheit
war auf ihm begründet." Das wird kaum bestritten
werden können; ja, die Nachwirkung des technischen
Umgangs mit dem Holz kann man noch durch die
ganze Gotik hindurch — auch auf konstruktivem Ge-
biet — verfolgen; die schlanken Säulen, die dünnen
Strebebogen, die hohen, durchbrochenen Kirchturm-
helme wurzeln formal in den Eigenschaften des
Holzes. Die deutschen Holzbauten am Rhein werden
schon im 6. Jahrhundert „wegen ihrer reichen und
seinen Holzbaukunst" gerühmt, und „unsere Holzbau-
städte des f6. und j7. Jahrhunderts sind geistig die
getreuen Enkel der deutschen Städte im Beginn des
2. Jahrtausends." Daß aber die Germanen im
frühen Mittelalter auch den Metalltechniken in hohein
Grade gewachsen waren, das beweisen die Votiv-
kronen der spanisch-westgotischen Könige sin Madrid
und Paris), der Tassilokelch, und zahlreiche andere
Edelmetallarbeiten in Kirchen, [— mehr noch
vielleicht die geschmiedeten Waffen der Vandalen,
Langobarden und Burgunder. Indessen stützte
sich die Schmuckkunst auch da vielfach auf die aus
der flächigen Bearbeitung des Holzes — beson-
ders mittels Kerbschnitt — hervorgegangenen Mo-
tive.

189. Krone König Svintlsilas, Madrid.
(Aus „Haupt, Die älteste Kunst der Germanen.")

Die künstlerische Durchbildung von germanischen
Werken der Klein- und der Baukunst besteht im
wesentlichen aus einer „Flächenbehandlung im Sinne
reiner Holzkunst"; sie tritt dadurch in wesentlichen
Gegensatz zur Antike. Während die Kunst bei
Griechen und Römern schon beim Erzeugen des

Nunst und Handwerk. 60. )ahrg. Heft 3.

Y5

t2
 
Annotationen