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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0147

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Chronik des Bayer. Kuustgewerbevereins.

(dabei ist ausschließlich an Miniaturgemälde zu denken), ■—
3. die Pinsel-Enkaustik, bei der die heißflüssig zu halten-
den Farben mit dem Pinsel aufgetragen und noch in diesem Zu-
stand verarbeitet werden sollten. Die Grapschen Funde der
Mumienporträts im Fayum haben uns eine genauere Vorstellung
über die enkaustischen Methoden (die im Altertum auch vermischt
wurden) vermittelt; über die Instrumente gibt der interessante
Fund von Malutensilien im Grabe von St. Medard des Pres
Aufschluß, bei welchem das Kästchen tritt der Wärmvorrichtung,
die Wachslöffelchen, Pinselstile, Farben- und Wachsreste, Farben-
reiber, Alabastermörser usw. gefunden wurden. Ein weiterer
Fund (ein Grab aus dem z. bis 4. Jahrhundert n. Ehr., bei
Perne-St. pudert in Belgien), der vor etwa zehn Jahren ge-
macht wurde, zeigte, daß die Pinseltechnik je später je inehr
überhand nahm, daß dabei die Beimengung von Dl, Parzen
zur Wachsfarbe allmählich zu einer Befreiung vom warm-
flüssigen Wachs führte und daß damit der Enkaustik durch den
Übergang zur Gl-Parz-Technik ihr Ende bereitet wurde. —
Der Vortrag war von zahlreichen Proben (Kopien) begleitet
und erntete reichen Beifall.

vierter Abend — den 30. November — Vortrag von
Bauamtsassessor Karl Poepfel: „Die einstige Juuftkuust und
ihre Wiederbelebung". Der Redner gab von dem einstigen
Zunftleben, seinem Einfluß auf das bürgerliche und politische
Gehaben usw., ein anschauliches Bild, mit dem verglichen das
der Gegenwart sehr viel unvorteilhafter erschien; aber so trost-
los, wie sonst die Lage im Bereich des Paudwerks angesehen
wird, faßte sie der Redner nicht auf. Er glaubt vielmehr, daß
Bestrebungen, wie die des „Deutschen Merkbundes" und anderer
Vereinigungen, die der volkstümlichen Kunst Perz, Sinn und
Können zuwenden, wohl geeignet sind, die ethischen Werte der
alten Zünfte zurückzuerobern, sobald nur die äußerlich an deren
Stelle getretenen Innungen, Gewerbevereine usw. lange genug
bestanden haben werden, um sich innerlich zu festigen. Als
Anzeichen der Besserung bezeichnet er die Tatsache, daß man
heute schon andere Anschauungen über Luxus habe, daß man
eine bessere, künstlerisch und handwerklich gediegenere Wohnung
nicht mehr als ästhetische Liebhaberei ansehe, sondern als eine
ethische Notwendigkeit, um die Liebe zu peim, peimat, Vater-
land zu kräftigen; auch die wachsende Hinneigung zu Volkslied
Volkskunst, Volkstrachten lasse auf eine Besserung schließen,
— und die zunehmende Kleinarbeit großer Künstler im Bereich
der Sachkunst schaffen dem pandwerk einen Nährboden, wie
ihn auch die alten Zünfte nicht besser geboten haben. — In
einer schier unabsehbaren Fülle von Lichtbildern führte der vor-
tragende alte Zunftzeichen, Zunftpokale, Zunfthäuser und -Ver-
sammlungsräume usw. vor, unter denen wohl das paus der
Schiffergesellschaft in Lübeck den Glanzpunkt bildete; er ver-
säumte auch nicht, auf Zuuftsitteu und -Gebräuche — Schäffler-
tanz, Metzgerspruug — hiuzuweisen.

Fünfter Abend — den 7. Dezember — Vortrag von
Günther Freiherr v. Pech mann über „Münchens Stellung
im deutschen Wirtschaftsleben". Anknüpfend an die Anzeichen
„aufsteigeuder Kultur" stellte sich Redner die Frage: In welcher
Weise wird sich eine neue Belebung des deutschen Wirtschafts-
lebens gestalten und wie kann München daran teil haben?"
Die gesteigerte industrielle Tätigkeit Deutschlands zielt insbe-
sondere auf die Erzeugung von Gualitätsprodukten hin und in
dem gleichen Maße wie Deutschland lernt, für diese Bedürf-
nisse zu arbeiten, finden seine Erzeugnisse wachsendes Interesse
bei den gebildeten Schichten der übrigen alten Kulturländer.
Die ungünstige geographische Lage — fern von Wasserstraßen
und Kohlen — erschwert es München, an den wirtschaftlichen

Vorteilen dieser Wandlung in gebührendem Naß teilzunehmeu.
Da nun aber gegenwärtig sich die Einsicht Bahn bricht, daß
beim Pandel mit (Qualitätsware der „Katalog" nicht mehr ge-
nügt, sondern die Pandelsobjekte mit Auge und Band geprüft
sein wolle::, während anderseits die Leipziger Messe, die hierzu
Gelegenheit böte, zu sehr auf die Masseuprvdukte eingerichtet
ist und das feinere Kunstgewerbe erstickt, schlägt Redner vor,
München durch Einrichtung einer alljährlich wiederkehrenden
„Münchener Messe" zum lpualitätsmarkt Deutschlands zu
erheben. Es wäre damit für die Pallen unseres Ans-
stellungsparkes eine Verwendung gefunden, die uns der
Mühe überhöbe, alle Jahre auf eine neue Veranstaltung zu
sinnen; bei richtiger Leitung könne — nach Ansicht des Redners

— diese Messe für München eine ähnliche Bedeutung gewinnen,
wie sie Bayreuth und Mberammergau erlangt haben.

Sechster Abend — den h- Dezember — Vortrag von
Major I. Bau mann: „von Indiens Tempeln und Palästen".
Wie oft auch schon der beliebte Redner das Rednerpult des
vereiushauses betreten hat, immer bewährt er die alte An-
ziehungskraft; denn es ist nicht nur das The:::a selbst samt den
Lichtbildern, welche den Vereinsmitgliedern einen genußreichen
Abend versprechen, sondern in gleichem Maße auch die leben-
dige und doch ruhige Vortragsweise, die den pörer einerseits
anregt und ihm doch anderseits auch Muße läßt, über das Ge-
sagte nachzudenken. Nach einer Einleitung über die landschaft-
liche Erscheinung, die Völker- und Religionsgeschichte Indiens,
führte Redner an pand der meist nach eigenen Aufnahmen
hergestellten Bilder die „Mitreisenden" zu den Felseutempeln
und anderen peiligtümern, zu den Palästen der Großen. Bau-
werke von riesenhafter Ausdehnung, von überschwänglichem
Skulpturenreichtun:, bald Wahrzeichen frommer Gesinnung, bald
Denkmäler zur Erinnerung an teure verstorbene, zogen in
bunter Folge vorüber — Bildwerke aus Stein, Stuck, polz, —
da gigantisch grotesk, dort zierlich und geschmeidig — ornamen-
taler oder figürlicher Art, zumeist unter gewaltiger Anhäufung
von Zierwerk, sprechende Beweise für die Billigkeit der Arbeit.
Dazu Kulturbilder aller Art: Elephantenfang, Leichenverbren-
nung, Leben auf und am Ganges, Unterricht, Gottesdienst usw.

— Prof. v. Mayr, der 2. Vereinsvorstand, der heute den
Vorsitz führte, rühmte unter dem Beifall der Versammlung in
seinem dankenden Nachwort mit Recht die ungewöhnliche Meister-
schaft des Redners in der Veranschaulichung der Erlebnisse; er
habe die Versammlung nicht nur, wie er beabsichtigt hatte,
unterhaltend belehrt, sondern auch belehrend unterhalten.

Programm für die nächsten (Wochenversammkungen

(jeden Dienstag abends 8 Uhr).

25. Januar: Dr. Georg p au b errisser; Vortrag mit Licht-
bildern: Über LumiLre-Photographie.

;. Februar: Dr. pans Stegmann, Direktor des Germanischen
Nationalmuseums in Nürnberg: Über Tiroler Möbel-
kunft.

(Am 8. Februar findet wegen Fastnacht keine Versammlung statt.)

> 3. Februar: Prof. Dr. Luziau Scher::: ann: Kunstgewerbliche
Anregungen aus der Ethnographie — im Zusammen-
hang mit dem Vortrag technische Demonstrationen
über Batik (Frl. Geys und Frl. Dübbers und
Damaszierung (G. v. Mendelsso hn).

22. Februar: Prof. Dr. Berthold Riehl: Aus der Jugend der
deutschen Kunst.

;.März: Konservator Dr. PH. M. Palm: Ein Thema aus
der mittelalterlichen Plastik.

8. März: Dr. Pellmuth Wolff, Palle: Die Sachkunst und
die ästhetische Kultur. (Mit Lichtbildern.)

verantw. Red.: ssrof. £. Gmelin. — herausgegeben vom Bayer. Aunstgewerbeverein. — Druck und Verlag von R. Gldenbourg, München.
 
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