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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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A. H.: Nida-Rümelin
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Nida-Rümelin.

255. Bankhaus S. I. Werthancr jr. Nachf.;
Pläne von Gerhardt & Schaefer, Kassel; Fassaden-
Lntwurf von tv. Ni d a -Rü me I i n, Rom.

ganz natürliches, weil der Lehrer von einer wahren
Leidenschaft besessen ist, dem Material alle Geheim-
nisse seiner Schönheiten abzuringen. Sein künstlerischer
Instinkt entwickelte schon sehr frühe eine merkwürdige
Fähigkeit int Aufspüren und Wiederfinden alter Tech-
niken. Sein Dämon läßt ihm keine Ruhe und zwingt
ihn, an das Material und an die Technik immer
wieder neue fragen zu stellen, bis er sie seiner Phan-
tasie und seinem künstlerischen Wollen dienstbar ge-
macht hat. Schon in jungen Jahren hatte er eine
vollkommene Kenntnis des Stukko inne, im Holz-
schneideti uitd schnitzelt führte er in seiner Werkstatt
alte Gepflogenheiten und Praktiken ein, die ihn ähn-
liche Wirkungen erreichen ließen, wie sie alten Bild-
werken eigen sind. Neuerdings machte er Versuche
in der Freskomalerei. Mit diesem rastlosen Spür-
sinn und der Gabe der Spekulation verbindet sich
ein echt künstlerischer Wagemut, der alle künst-
lerischen Probleme anfaßt und sie auf eine neue
und originelle Weise im Sinne der Tradition zu
lösen versucht.

Im häufigen Zusammenarbeiten ntit Architekten
und bei der Ausführung plastischer Werke, die für j
den Rahmen der Architektur bestintmt und geschaffen
waren, konnte Nida-Rümelin neben den plastischen
auch den architektonischen Problemen nachgehen.
Gelegenheit dazu fand er schon in seinen Tntwürfen
zu Brunnen rc., wo er im kleinen Maßstabe an i
alles das denken mußte, was auch den Architekten in
größeren Werken beschäftigt. Als Bildhauer kam er

I zur Architektur nicht auf dem Umwege über das
Papier und das Reißbrett. Tr schlug einen direkten
weg ein. Die plastische Darstellung des Raumes
führte ihn zur Raumgestaltung. Tr vergegenwär-
tigte sich die räumlichen Wirkungen der Architektur
an plastischen Modellen und bemerkte, daß er so zu
vielfach anderen Resultaten kam, wie der Architekt
durch die zeichnerische Darstellung. Seit Nida-Rümelin
diesen Weg beschritten hat, arbeitet er unermüdlich
an der Lösung der Probleme, die ihn: zuerst durch
die plastische Darstellung der Architektur näher ge-
treten waren. Tr hat sein Lehramt aufgegeben und
ist nach Rom gegangen, nur um einmal seine ganze
Zeit seiner Ausbildung zum Architekten widmen zu
können.

Im Anfang dieses Wendepunktes seiner künst-
lerischen Tätigkeit steht ein sehr respektables Werk,
das als Trstlingsleistung die Bewunderung verdient,
ntit der es der Besitzer des Dauses begrüßt hat. Ts
ist die hier abgebildete Fassade des Bankhauses
S. I. Werlhauer jun. Nachf. in Taffel, die nach dem
Tntwurfe von Nida-Rümelin ausgeführt wurde
! (Abb. 253). Die plastische Geschlossenheit der ganzen
I Fassade, der großartige Zug ins Monumentale, der
I schwungvolle Rhythmus in den architektonischen
Gliederungen verrät ein staunenswert reifes architek-
J tonisches Gefühl. Schade, daß der Anfängerim Detail
nicht ganz so glücklich war und sein plastisches
Tmpfinden bei der Ausgestaltung des Pfeilers nicht
mäßigen konnte (Abb. 256 u. 257). Hier ging dem
jungen Architekten der Bildhauer durch. Aber auch
dem Durchgänger wird man als Plastiker die ver-
diente Anerkennung nicht versagen können.

In Taffel entstanden gerade einige seiner schönsten
plastischen Arbeiten, der Figurenschmuck auf den
Terrassen des Kgl. Theaters daselbst: eine Reihe
| reizender Figürchen von Putten mit Schildern und
j Masken, die auf die Wirkung der Silhouetten gear-
beitet und als organische Glieder der Architektur auf-
zufassen sind. Die plastisch empfundenen Kinder-
gruppen voller Laune und Lebendigkeit im Ausdruck
gehören ebenfalls dieserArchitekturanjAbb.258—266).
Nida-Rümelins energisches Tingreifen in das Gefüge
der Architektur zeigt in drastischer Weise die Um-
gestaltung der Fassade an den Türen und am Portal
der Tssener Volkszeitung (Abb. 267—273). Auch
hier wächst die plastische Forn: als figürliches und
ornamentales Gebilde aus der Architektur heraus.
Rümelins reiche Trfindungsgabe, seine Phantasie
und sein Humor kommen in der Gestaltung und
Ausführung der Füllungen eines Stiegengeländers
recht anschaulich zunt Ausdruck (Abb. 27^—289).
In diesen holzgeschnitzten Füllungen erreicht er ähn

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