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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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Heinrich Schiestl
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https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0181

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Heinrich Schiestl.

fing schon allenthalben zu gären an. Der kaum
den Lehrjahren entwachsene Jüngling war von seiner
bisherigen Tätigkeit nicht befriedigt. Tr suchte,
nahm und verwarf. Bis ihm die ersten Blätter
von Dürer in die pand fielen, die er aus dem Jahr-
märkte um billiges Geld erwarb. Da kain's wie
eine Offenbarung über ihn, und er bemühte sich,
inimer mehr zu sehen und zu lernen von den alten
Meistern.

So wanderte er denn auch mit seinen pand-
werksgenossen des öftern nach dem Brennpunkt der

3 j 5 u. 3(6. St. Gregorius und St. Augustinus, Relieffüllungen
aus rotem Limbacher Marmor an der Kanzel zu St. Adalbero
in Würzburg; von Heinrich Schiestl, Wurzburg.

('/io d. wirk!. Größe.)

alten Aunst, dein nahen Nürnberg, wo ihn die
Werke von Dürer, Stoß und Arafft rc. mit einer
wahren Begeisterung erfüllten, unter deren Eindruck
er mit neuem Mute sein eigenes Schaffen fortsetzte.

Tr zeichnete, entwarf, lernte mit Feuereifer
weiter und bildete sich auch an den Arbeiten des
einstmaligen Würzburger Bürgermeisters Tilman
Riemenschneider; die ihin in der unterfränkischen
Hauptstadt am leichtesten erreichbar waren. So
wurde er allmählich selbständig. Das Bekannt-
werden mit Professor Schmitz gab ihm später Ge-
legenheit, sich in praktischer Weise verschiedentlich,
besonders aber auf dem Gebiete der kirchlichen Aunst
zu betätigen, wo er auch in jüngster Zeit sehr Ge-
diegenes schuf. Mittlerweile besuchte er die Münchener
Akademie unter Professor Tberle. Verschiedene

Airchen und Airchlein im fränkischen Gau enthalten
Proben seiner markanten Aunst, so treffen wir z. B.
in der Airche von Dorfprozelten eine gar anmutig
komponierte Gruppe, die Verehrung zweier volks-
tümlicher heiligen darstellend; mit ihren lebens-
vollen Gestalten aus dem Volke ist sie für spätere
Geschlechter förmlich von kulturhistorischem Znteresse.

Außerdem der auch schon von anderer Seite
gewürdigte Areuzweg mit seinen polychrom ge-
haltenen Reliefs in der neuen Airche der Sanderau.
Der Wert dieser Schöpfungen beruht darin, daß sie
nichts formelhaftes, Gleichgültiges enthalten, sondern
daß sie eine warme Beseelung ganz in der Eigen-
art ihres Meisters bekunden. — Was uns hier
aber hauptsächlich interessiert, das sind seine profan-
arbeiten: die künstlerische Ausstattung von Wohn-
räumen, die hierfür entworfenen Tinrichtungsgegen-
stände, überhaupt seine kunstgewerblichen Leistungen.
Zn der weinfrohen Stadt des Schutzheiligen Ailian
gibt es manch lauschiges Plätzchen, das ihm fein
Dasein verdankt. Und gar mancher von ihm aus-
geschmückte Znnenraum wäre zu entdecken, den man
ob seiner Behaglichkeit selber bewohnen möchte. Ts
heißt: wer aus freudigem Perzen gibt, wird wiederum
freude ernten. Und alles, was von Schiestl stammt,
das kommt aus der Tiefe, aus freudigem, vollem
Perzen. Das zeigt sich schon darin, daß er mit
Vorliebe volkstümliche Motive wählt, die auch der
künstlerisch weniger geschulte Laie sogleich erfaßt,
und die bei dem unverdorbenen Beschauer gar bald
das Gefühl der Sympathie und der freudigen An-
teilnahme wachzurufen vermögen. Was diese Ar-
beiten so anziehend macht, ist neben ihrer Ursprüng-
lichkeit vor allem der ihnen anhaftende pumor,
 
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