Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

DOI Artikel:
Bredt, Ernst Wilhelm: Erfolgreiche und erfolglose Künstler: ein Vortrag
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0184

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erfolgreiche und erfolglose Künstler.

waren eben die, von denen wir nichts wissen —
nicht mehr viel wissen.

Ist das richtig? Richtig im Sinne der tüchtigsten
unserer Fabrikanten, unserer Industriellen und Werk-
schaffenden? Das sei hier geprüft. Das Resultat
inuß uns ganz gleichgültig sein.

Vielleicht ist es lustig, indem es die Meinung
der Menge vom Glück der Großen allzu kurzsichtig
erscheinen läßt, vielleicht ist es bitter für alle Idea-
listen, vielleicht ist es unseren Aünstler» doch Trost
und vielleicht gar eine praktische Hilfe.

* *

*

Zu den ganz Großen, die die Menge, wie
schon gesagt, immer zu den erfolgreichsten rechnen
wird, zählt zweifellos Rafael.

Und ich gehe noch weiter, ich nenne ihn schlecht-
weg den erfolgreichsten Aünstler überhaupt.

Rafael, ist der erfolgreichste, weil seine Er-
folge in idealer wie materieller und gesellschaftlicher
Einsicht seine künstlerischen Erwartungen nicht nur
befriedigten, sondern übertrafen. In seinem kurzen
Leben genießt er voll das Glück glänzender Anerken-
nung, wenigstens ist sein Ruhm erreicht ohne schweres
grüblerisches Sorgen und Mühen.

Rafael, hat das Glück, in der Residenz eines
kleinen, aber sehr kunstsinnigen Fürsten, fernab vom
Weltgetriebe, geboren zu werden.

Sein Vater war wohlhabend. Er war Gold-
schmied, Maler und Arämer. Mit acht Jahren
schon wird er dessen Lehrling. Rafael war kein
Wunderkind, vielleicht schützte der Mangel früher
Reife seinen glücklichen Geist, seinen zarten Aörper.
So folgt er dem und nutzt das ganz, was ihm
geboten wurde, auch dann, als er zu perugino
in die Lehre kam, der damals in den 50 er Jahren
stand und als das Haupt der Maler der umbrischen
Heimat galt. Er folgt in allein still und getreu
seinein Lehrer und dem Gewohnheitsrechte seiner
Zeit. Ohne Bedenken benutzt er die Aomposilionen
seiues Lehrers. Wenn er ihn übertrifft durch Inner-
lichkeit, so ist das Gabe seiner Enipfindung, die
nicht mühsam erkämpft wurde und anderen wohl
gar eher ausgefallen ist als ihm selbst. So hat
er Erfolg. Schon vor dem 20. Jahre inalt er
viele Altarbilder auf Bestellung. Aber er bleibt
liebenswürdig und bescheiden. Diese Eharakter-
eigenschaft ist's, die ihm die sehr förderliche Gunst
der Herzogin von Montefeltro einträgt.

Sie einpfiehlt ihn dem Stadthaupt von Florenz
wohl „als gutes Talent", aber noch mehr, weil sie
seinen Vater als trefflichen Mann kenne und weil
der Sohn bescheiden und wohlgesittet sei.

In Florenz läßt er sich weder von Michelangelos
noch Leonardos Schöpfungen überwältigen. Er be-
währt sich auch hier als ein von einem glücklichen
Genius geleiteter Jüngling, er wird bewahrt vor
Dissonanzen, nimmt nur auf, was init seiner Art
zusammenklingt, was dieser nur stärkere, aber kaum
andere Schwingungen gibt. Mit 25 Jahren kommt
er nach Rom. Sein Ruhm war schon groß. Er
wird dem Papste empfohlen. Er wird vor größte
Aufgaben gestellt, die Ausmalung der päpstlichen
Prunkgemächer, und löst sie vorbildlich für damals
und folgende Jahrhunderte. Nur das Thema
der Disputa macht dein von glühender Leidenschaft
erfüllten Maler schwere Mühe, haß und Verleum
düng seiner Aollegen lassen ihn doch als Sieger.
Erfolg reiht sich an Erfolg. Nur weil allzuviel
Ehren und Aufträge ihn erfüllen (war er doch nach
Bramantes Tod eine Art Generaldirektor der schönen
Aünste), wird er überarbeitet und melancholisch. Er
stirbt mit 37 Jahren, von allen gefeiert, sein Genius
wird göttlich verehrt.

Alles, was er schuf, fand glänzende Währung,
und nie hat er kennen gelernt des Lebens Not und
Sorge.

Das war Rafael. Ein Glück, ein lächelndes
mildes Schaffen, ein Erfolg.

Wir aber wollen nicht nach alter Schulmeisterart
eine lächerliche Erziehungslehre und Moral kon-
struieren, wie man sie oft hört:

Sei fleißig, bescheiden, liebenswürdig, ducke dich
unter alle Größen und folge immer brav der Tradition.

Erst später sei versucht, ob und was aus dem
praktischen Leben der Großen zu folgern sei. — —

Ein ganz anderer sei nun betrachtet.

Der Aünstler, der von Rafael gesagt hat: Sein
Fleiß allein, nicht sein Genie sei die Ursache seines
Erfolges gewesen.

Das ist Michelangelo.

Michelangelos Wesen hat nichts verwandtes
mit dem Rafaels.

Er war der Sohn eines podcstä und sich durch
und durch adelige» Ranges und hoher Herkunft bewußt.

Er war nicht bescheiden, nicht liebenswürdig,
sondern einsam und verschlossen, schweigsam selbst
dem Weibe gegenüber, verletzend durch Leidenschaft
und Witz, gehaßt wegen seiner (Offenherzigkeit, zornig
und unbeugsam von Jugend an. Er war dem
Papste Julius II. verwandt an Leidenschaft und
Adel. Der Papst nannte ihn sterribile, doch beide
brauchten sich einander so wie sie waren.

Der Papst empfängt ihn einmal nicht im Palaste
— Michelangelo schreibt ihm kurz und bündig:
er könne ihn nun wo anders suchen als in Rom.

169
 
Annotationen