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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins
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<£t>rottif des Bayer. Kunstgewerbevereins.

Mschenverfaminkungen.

Neunter Abend — den (8. Januar — Vortrag von
Dr. E. 2t>. Bredt: „Uber erfolgreiche und erfolglose Künst-
ler", mit Lichtbildern. Der Vortrag, der sich auf kunstgeschicht-
liches Material aus vier Jahrhunderten stützte, gab Einblicke in
das Künstlerleben unter einem Gesichtswinkel, der meist gar
nicht berücksichtigt wird, und bot damit so viel Interessantes,
daß wir ihn in seinem wesentlichen Inhalt ungekürzt zum Ab-
druck bringen. (S. (68 ff.)

Zehnter Abend — den 25. Januar — Vortrag von Dr.
Georg ksauberrisser über: „Photographien in natürlichen
Farben und ihre Bedeutung für den bildenden Künstler." Der
Vortragende, der schon wiederholt im Verein die Frage der
Farbenphotographie behandelt hat, schilderte zunächst das Ver-
fahren der Gebrüder Lumiere in Lyon, mit dessen ksilfe heute
jeder Liebhaberphotograph farbige Aufnahmen auf Glasplatten
Herstellen kann. Es kommen dabei Stärkestäubchen von etwa
710o mm Durchmesser in Anwendung, die in bestimmtem Ver-
hältnis rot, blauviolett und grün gefärbt und auf die mit einer
klebrigen Schicht überzogene Glasplatte aufgestreut sind; die
Zwischenräume werden dabei durch ein besonders feines schwarzes
Pulver ausgefüllt. Die so hergestellte Rasterplatte wird mit
einer Isolierschicht überzogen und darauf eine für alle Farben
empfindliche Bromsilbergelatiueemulsion gegossen. Beim Photo-
graphieren durchdringen dann die farbigen Lichtstrahlen nur
die ihnen entsprechenden Stärkekörner und wirken auf das
Bromsilberein; entfernt man dann gleich nach der Entwicklung
das bei der Entwicklung entstandene schwarze Silber, so werden
alle Stärkekörner gedeckt, die an dem von ihnen eingenommenen
Platz keine Farbenbedeutung haben. Die Belichtungszeit ist
etwa 80 mal länger als bei gewöhnlichen Aufnahmen und be-
trägt bei sonnigen Landschaften etwa 3 Sekunden, was der
Vortragende dann in etwa (00 farbigen Lichtbildern vorführte,
war so mannigfaltig und in der Wiedergabe der natürlichen
Erscheinungen (z. B. Sonnenuntergang) so überraschend, daß
man sehr wohl eine Förderung künstlerischer Tätigkeit von der
Farbenphotographie erhoffen kann.

Elfter Abend — den (. Februar — Vortrag von Direktor
Dr. ksans St eg mann über: „Tiroler Möbelkunst". Redner
leitete seinen Vortrag damit ein, daß er sich gegen einen etwaigen
verdacht, altes Mobiliar zur Nachahmung zu empfehlen, ver-
wahrte; die Beziehung zwischen seinem Thema und der Gegen-
wart liege vielmehr darin, daß einerseits die Frage der Innen-
ausstattung unserer Wohnungen aktueller sei als je, und daß
anderseits auch heute noch viele Anregungen aus der Tiroler
Nöbelkunst zu schöpfen wären. Diese selbst bezeichne den Be-
ginn der oberdeutschen Möbelkunst, während im Nieder-
deutschen das Eichenholz die Herrschaft ausübe, sei in
Mberdentschland überwiegend weiches ksolz — Nadelhölzer —
in Anwendung; auch konstruktive Unterschiede machen sich
bemerklich. Ebenso ist die Art und Verwendung der
Dekoration, im Norden Flachschnitzerei auf den Möbelstächen-
im Süden Fournierung, Intarsien, aufgelegte Schnitzerei und
ausgestochener Grund, grundsätzlich verschiede::. Im (5. Jahr-
hundert hatte Frankreich und Burgund die Führung in der
Möbelkunst, die von da einerseits nach Niederdeutschland, ander-
seits nach Italien ihren Einfluß geltend machte. Der starke
Handels- und Kunstverkehr von Italien nach den süddeutschen
Kulturzentren Augsburg und Nürnberg kam auch den Alpen-

ländern künstlerisch zugute, wo — schon infolge des Holzreich-
tums — die Holzplastik von jeher eine volkstümliche Kunst
war. Die Glanzperiode erlebte sie im (5. und (6. Jahrhundert
an der Südseite des Alpenkammes — etwa von (450—(600;
das damalige Emporkommen des Kleinadels zog den Bau und
die Ausstattung so zahlreicher Ldelsitze nach sich, daß trotz der
systematischen Ausplünderung heute noch sehr viel übrig
ist. Schlösser, Edelsitze, Rathäuser bieten in ihrer Möbelaus-
stattung eine stattliche Reihe von glänzenden Proben der Spät-
gotik und der Renaissance. An Hand von Lichtbildern ließ der
Vortragende die tirolische Möbelkunst in ihrer Blütezeit vor-
überziehen — Kastenmöbel, Sitz- und Liegemöbel, Tische — und
gab bei den einzelnen Möbelgattungen schlagende Hinweise auf
die wesentlichen Unterschiede, die sich bei den Möbeln gleicher
Gattung je nach Entstehungszeit und Entstehungsort bemerkbar
machen.

Zwölfter Abend — den I5. Februar —Kunstgewerbliche
Anregungen aus der Ethnographie, von Prof. Dr. Luzian
Schermann Redner gab zunächst — unter Vorführung von
Lichtbildern und zahlreichen Proben aus dem ethnographischen
Museum und aus privatbesitz eine Darstellung der alten in
Indien heimischen Verfahren zur Stoffdekoration. Daß die
ganze Baumwollenmanufaktur aus Gstasien stammt und erst
Mitte des (8. Jahrhunderts nach Europa gekommen ist, wird
vielen ebenso neu gewesen sein wie die Tatsache, daß eine
Reihe unserer üblichen Stoffnamen — Mull, Kaliko, Madapo-
lam, der veraltete Jitz — indischen Ursprungs sind. Die Fein-
heit der Stoffe, welche in den kostbarsten Geweben so weit
ging, daß sie trotz sechsfacher Überlagerung die Körperformen
noch nicht verschleierten, erklärt es, weshalb bei altindischen
Skulpturen das Vorhandensein von Gewändern nur durch, die
Gegenwart von Säumen und Enden wahrzunehmen ist. Mit
der Besprechung der javanischen Batik-Technik behandelte der
Vortragende das — im Iahrg. (yoq, S. 333 ff. ausführlich dar-
gestellte — uralte wachsfärbeverfahren, dessen Griginalwerkzeuge
im ethnographischen Museum zu sehen sind. Die Technik hat sich
seit >5 Jahren auf dem Wege über Holland auch bei uns heimisch
gemacht und wird heute auf fast allen Kunstgewerbeschulen be-
trieben. Die Münchener Schule hatte — neben Arbeiten von Irene
Braun, Anna Kurreck-Haagn, E. Annacker — eine
größere Reihe von Arbeiten ihrer Schülerinnen ausgestellt, und
die Lehrerinnen M. Geys und L. Dübbers führten nach
Schluß des Vortrags das Batikken praktisch vor Augen. Zu-
letzt gab Georg von Mendelssohn an Hand einiger Kris-
und Schwertklingen Erläuterungen über die Kunst der Damas-
zierung.

Programm für dir nächsten (Derfammkungen.

5. April: Ordentliche Generalversammlung.

(2. April: H. Lßlinger, Kgl. Postdirektor: Altfriesischcs
Kunstgewerbe mit einer Ausstellung ostfriesischer
kunstgewerblicher Arbeiten.

(y. April: Thema noch unbestimmt.

26. April: Schlußabend mit Preiseverteilung an Lehrlinge.

Die Dereinsbibliolhek ist an Sonn- und Feiertagen von
(0—(2 Uhr, an den Wochentagen von 9—(2 und 3—5 Uhr,
außerdem an zwei Abenden — Mittwoch und Freitag — von
7—9 Uhr geöffnet.

Verantrv. Red.: ssrof. £. Gmelin. — herausgegeben vom Bayer. Aunügewerbeverein. — Druck und Verlag von R. Gldenbourg, München.
 
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