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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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Gmelin, Ludwig: Meurers "Vergleichende Formenlehre des Ornaments und der Pflanze"
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https://doi.org/10.11588/diglit.9044#0236

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Neurers „Vergleichende Formenlehre des (Ornaments und der Pflanze".

597. Aus Neurers Merk: „Vergleichende Formenlehre" (Abt. XVI) Romanischer Anthemienfries vom Ambo der Kirche

San Paolino di valva. Italien.

scheinen — im Zusammenhang mit ihrem 3-sörmigen
Profil — unter dem Druck der darauf lastenden Ge-
simsteile zusammengestaucht zu sein. Zn Wirklichkeit
stammen sie von den Natur-Blattkränzen her,
mit denen die Ägypter sich selbst und ihre Toten
zu schmücken pflegten — in gleicher Weise wie
ihre Kunstwerke (s. Abb. ZflZ). Nachdem diese bei
ägyptischen Bauten aufgemalten Blattkränze auf
ihrer Wanderschaft bei Assyrern und Persern durch
Ausführung in Nietall ins plastische übersetzt wor-
den waren, gelangten sie auch nach Griechenland,
wo ihre im Laufe der Zeit veränderte Gestalt sich
von nun an auch eine andere Bedeutung gefallen
lassen mußte: sie wurde zum Sinnbild der Wechsel-
wirkung von Stütze und Last.

Bon höchstem Interesse sind die Untersuchungen
über die Herkunft des jonischen Aapitells. Ts reizt
zum Lachen, wenn Ulan schlankweg die Lilie als die
Urmutter des jonischen Aapitells bezeichnet. Nor-
der unwiderstehlichen Überzeugungskraft von NIeurers
Ausführungen, welche in lückenloser Reihe, unter-
genauer Berücksichtigung der chronologischen Folge,
eine ununterbrochene Rette fortschreitender Entwick-
lung von der ägyptischen stilisierten Lilie an bis zu
dem Aapitell des Erechtheion und jenem aus der
römischen Aaiserzeit zeigt, muß jeder Zweifler ver-
stummen.

Auch über die ägyptischen Urahnen des korin-
thischen Aapitells bietet Nkeurers Werk manches
neue; doch würde es zu weit führen, darauf näher ein-
zugehen. Ebenso müssen wir auf die von geistvollen
Betrachtungen begleiteten Darlegungen über die
Analogien zwischen mittelalterlichen und ägyptischen

Säulenbündeln, über die enge Verwandtschaft gotischer
Bauglieder mit Naturformen usw. verzichten.

Nur noch einige Worte über die äußere Ge-
staltung der „Vergleichenden Formenlehre".

Der Zweck des Werkes verlangte ein umfang-
reiches Bildmaterial, namentlich aus der Pflanzen-
welt und zwar in einer Darstellung, welche die be-
absichtigten Vergleiche mit den Aunstformen erleich-
terte. Es wurde deshalb — mit verschwindenden

398. Ans Neurers werk: „vergleichende Formenlehre"
(Abt. XVII, Tafel 5)

Nykenifche und frühgriechische Rankenspiralen.

Kunst und Handwerk. 60. Iahrg. Heft 7.

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