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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 60.1909-1910

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Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins
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Thronik des Bayer. Kuustgewerbevereins.

Mochenversammkungen.

Dreizehnter Abend — den 22. Februar — Vortrag von
Prof. vr. B. Riehl: „Aus der Jugendzeit der deutschen
Kunst". Redner knüpfte au die kirnst- und weltgeschichtlich
hochbedeutsame Tatsache au, daß Karl der Große es war, der
südliche Kunst nach dem Norden verpflanzt und damit den
Anstoß zur Entwicklung der frühmittelalterlichen deutschen Kunst
gegeben hat, und gab daun an bjand von Lichtbildern eine
lebendige Anschauung dieser Errtwicklung. Beginnend mit der |
Kirche von Mberzell auf Reichenau wies er auf die Verwandt-
schaft mit den südländischen Bauten hin, betonte aber, daß j
schon bald — im «o. und ««. Jahrhundert — selbständige J
Baugedanken austreten, und daß keineswegs ein bestimmtes
Schema in wenig variierter Wiederholung herrschend geblieben
sei, was z. B. durch bildliche Hinweise auf die Dome zu Bam- |
berg und Mainz sowie auf St. Michael in bjildesheim anschau-
lich gemacht wurde. Mau benutzte wohl altes Kuustmaterial,
namentlich auch in der Kleinkunst, strebte aber doch nach Selb- |
ständigkeit; für das bekannte Barnberger Evangeliar in der
Münchener Staatsbibliothek verwendete sein Verfertiger alte
byzantinische Lmailblättchcn und antike geschnitterie Steine;
wußte aber doch seiner kindlichen, ja steifen Arbeit einen eigenen
Lharakter zu geben. Und wenn die Bernwardsäule in kjildesheim
noch deutlich das Vorbild der Trajaussäule in Rom wider-
spiegelt, so zeigt sich um so mehr eigener Kuustgeist an den
Bronzetüren des Domes, von denen die äußerst drastischen
Reliefs vom Sündenfall vorgeführt wurden. Aus ihrer kind-
lichen Befangenheit wurde die deutsche Kunst im «2. Jahr-
hundert besonders durch die Benediktiner Architekturschule be-
freit; zugleich entfaltete sie eine immer lebhaftere Phantasie,
was sich in der reichen dekorativen Ausstattung mit figürlicher
und ornamentaler Plastik kuudgibt — die Jugend, die noch
nicht Maß hält; als Beispiele für den hohen Stand der Malerei
im «3. Jahrhundert diente kjerrad von Landspergs Lustgärtlein
und die Decke in St. Michael zu kjildesheim. Für die Ent-
wicklung der Architektur im «3. Jahrhundert wurde der Dom
zu Limburg als Vertreter gezeigt und dabei ganz besonders
hervorgehoben, daß es nichts Individuelleres gebe als unsere
deutsche mittelalterliche Kunst, was sich schon darin kennzeichnet,
daß man beim Aursuchen der Bauplätze sehr sorgsam zu Werke
ging und aus einen, noch zweifelhaften Platz lieber einmal
provisorisch ein Klostergebäude errichtete! Zu welch hoher
Stufe im «3. Jahrhundert die deutsche Bildhauerei, insbc-
sondere die Bildnis-Plastik gestiegen war, davon gaben Skulp-
turen aus Brauuschweig (Grabmal Heinrichs des Löwen und
seiner Gemahlin), Freising (Grabstein des Btto Seemoser),
Bamberg (Portalfiguren) eine überzeugende Vorstellung. — Es
war ein erfreuliches, glanzvolles Bild, das der allezeit will-
kommene Redner aus deutscher Vorzeit vorgefllhrt hatte, und
der Beifall der sehr zahlreichen Zuhörerschaft kam aus dank-
barem Herzen.

vierzehnter Abend — den f. März —- Vortrag — Kon-
servator vr. PH. M. Halm: „der Bildhauer Konrad Meit von
Worms, ein Zeitgenosse und Freund Albrccht Dürers". Ein bis
jetzt ziemlich unbekannter Bildhauer war es, mit dem der Vor-
tragende die zahlreichen Zuhörer bekannt machte. Und doch
hat der Meister, von dem zum erstenmal ein Bericht vom Jahre
«5«0 über ein in der Wittenberger Schloßkirche aufgerichtetes
Bildwerk Erwähnung tut, Werke geschaffen, die selbst Dürers
Hochachtung errangen. Reichlicher werden die Nachrichten von
«5«<« an, in welchem Jahre Meit als „Hofbildhauer" bei

[ Margarethe von «Österreich, der (kunstsinnigen Tochter Maxi-
milians I., der Statthalterin der Niederlande erwähnt wird;
die Rechnungen führen eine Reihe von Werken auf, die Meit
für Margarethe fertigte, darunter auch Porträts derselben und
ihres Gatten, Philiberts von Savoyen. Für sein Hauptwerk
— die Fürstengräber in Brou — schloß Margarethe mit ihm
einen Vertrag; der ursprüngliche Vollendungstermin («530)
wurde aber später um zwei Jahre hinausgeschoben. Inzwischen
starb Margarethe («530), und Meit suchte und fand verschiedene
Aufträge in Frankreich und Burgund, kehrte aber dann nach
Holland zurück; «536 wird er in der St. Lukasgilde zu Ant-
werpen erwähnt. •— Aus dem Besitz der Margarethe stammt
auch wahrscheinlich die kleine Alabasterstatuette der Judith —
im Bayerischen Nationalmuseum, die mit dem vollen Namen
bezeichnet ist; rücksichtsloser Naturalismus beherrscht diese Figur
wie auch die zwei Buchsbaumstatuetteu von Adam und Eva
in Gotha, die so lebhaft an Dürers Stich von «504 erinnern.
Ähnlich die Buchsstatuetten (Adam und Eva) im (Österreichi-
schen Museum und eine andere (Fortitudo) im Klusee Cluny,
überall der ungetrübteste Naturalismus, der Meit gerade für
die Bildnisplastik so geeignet machte. Dahin gehören die Buchs-
büste der Statthalterin Margarethe (im Nationalmuseum), die
kleine Büste im Kaiser Friedrich-Museum in Berlin, zwei ähn-
liche Büsten im Britischen Museum, eine bemalte Tonbüste im
Museum zu Brügge (des späteren Karl V. oder seines Bruders
Ferdinand), die bemalte Tonbüste eines lachenden Kindes oder
einer Hofzwergin (Windsor Lastle). Die Fürstengräber in Brou
haben eine lange Entstehungsgeschichte, die mit der Witwen-
schaft Margarethes ihren Anfang nimmt; der -Gedanke au
ein Mausoleum für ihren Gatten und dessen Mutter vermischte
sich mit dem Gelöbnis, ein Kloster zu gründen. Die Planung
begann «505, die Fertigstellung erfolgte erst «532. Meit
konnte innerhalb dem gegebenen Rahmen ziemlich selb-
ständig arbeiten; so entstanden zunächst die Grabdenkmäler
der Margarethe von Bourbon und ihres Sohnes Philibert
von Savoyen, letzteres ein sog. Etagengrab, bei der der Tote
in zweierlei Bildnissen — im Leben und im Tode — darge-
stellt ist, ein Typus, der sich in Frankreich bis ins «3. Jahr-
hundert zurückverfolgen läßt. Den Glanzpunkt unter den
Gräbern bildet das der Stifterin Margarethe (von «Österreich,
die gemeinsame Arbeit des Architekten Louis van Boghem
und des Bildhauers Konrad Meit. In der reichen figürlichen
Arbeit erreicht Meit eine künstlerische Höhe wie wenige deutsche
Künstler; z- B. die Puttenpaare stellt Redner auf eine Stufe
mit Werken von Donatello, Robbia, Desiderio, Roffelino. Nicht
minder hoch stehen die beiden Darstellungen der Stifterin selbst.
Bei einem Vergleich mit den Werken der gleichzeitigen Nürn-
berger Meister Ad. Krafft, Veit Stoß und Peter Vischer scheiden
die beiden ersten als Gotiker aus; von des letzteren Werken
stehen der Bogenschütze und der schreitende Jüngling Meits
Arbeiten nahe; aber kein Meister berührt sich mit Meit so
innig als Albrecht Dürer, der sich mit ihm auf seiner Reise in
den Niederlanden («520/2«) befreundete. Spricht doch Dürer
in seinem Tagebuch von „dem guten Bildschnitzer mit Namen
Meister Konrad, desgleichen ich keinen gesehen Hab". Der Vor-
trag entsprach sichtlich in jeder Richtung den Erwartungen, die
die zahlreiche Zuhörerschaft Herbeigerusen hatten.

Die Vereinsbibliothek ist an Sonn- und Feiertagen von
«0—«2 Uhr, an den Wochentagen von 9—«2 und 3—5 Uhr,
außerdem an zwei Abenden — Mittwoch und Freitag — von
7—9 Uhr geöffnet.

verantw. Red.: j)rof. £. Gmelin. — herausgegelien vom Bayer. Runstgerverbeverein. — Druck und Verlag von R. Gldenbourg, München.
 
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