Gemeinsames Mitteilungsblatt
der Arbeitsgemeinschaft für die Urgeschichte Nordmeftdeutschlands
und der
Arbeitsgemeinschaft für die Volkskunde Niedersachsens (im R. V. H.)
Jg. 3. Hannover, im Wonnemond/Mai 1935 Nr. 5
Die Entwicklung des Kirchspielortes Lengerich im Kreise Lingen.
Wie aus einer Einzelhof-Vauernschaft um die Kirche
ein Straßendorf entsteht.
Urkundliche Nachrichten und genaue Erforschung der Anlage des
Ortes Helsen den Weg vom gegenwärtigen Ortbild hin bis zum An-
fang zurück zu verfolgen, so daß der ganze Entwicklungsgang sichtbar
wird. In einfach darstellender Form will ich das an meinem Pfarr-
orte versuchen.
In den erhaltenen Urkunden tritt der N a m e Lengerich
ziemlich spät auf, erst im 11. Jahrhundert unter den Einkünften Cor-
veys als „Lengerichi" und unter denen des Klosters Freckenhorst als
„Lingeriki". Die heute noch gebräuchliche plattdeutsche Namensform
lautet „Lengerke"; sie läßt sich auch schon damals nachweisen, tritt
auch gleich als Ortsname, nicht als Name der Bauernschaft auf; es
heißt im Lateinischen an diesen Urkundenstellen nämlich: „in Lenge-
richi", nicht „de . Auch die Deutung des Namens beweist das.
Lengerke ist „Lange Rake", d. h. lange Einfriedigung. Das paßt für
einen eingefriedigten Einzelhof, nicht jedoch für einen ganzen Bezirk.
„Lengerich an der Wallage" ist hernach zur Unterscheidung von dem
anderen Lengerich im Kreise Tecklenburg hinzugefügt. Der Beiname
„an der Wallage" deutet den Sinn des ursprünglichen Namens weiter
aus: die Einfriedigung bestand in einer lebenden Hecke auf einem
Wall, also einem Knick, wie es im Schleswig-Holsteinischen bezeichnet
wird.
Diese Einfriedigung wird also einen Hofplatz umschlossen haben —
so sagt es der Name. Es steht nämlich fest, daß seit altersher un-
mittelbar am Dorfe ein Gutshof liegt, dessen Ländereien noch jetzt
den eigentlichen Kirchort Lengerich umziehen. Schon um 800 muß