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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 2.1928

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Nr. 7
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Schulz-Albrecht, August Julius: Die Maler von Ascona
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https://doi.org/10.11588/diglit.67647#0048

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DIE MALER VON ASCONA
VON
DR. OTTO BRATTSKOVEN

Im Mittelpunkt der vielerlei Neubildungen von
Künstlergruppen,diewir imVerlauf der letzten Jahr-
zehnte erlebt haben, stand immer ein Stil-, oder
wenn man will, auch ein Weltanschauungsprinzip.
DieGegnerschaft gegen alte und teilweise verrottete
Anschauungs- und Darstellungsweisen gab ihnen
Bedeutung, Wert und Wichtigkeit im Hinblick auf
die Notwendigkeit des menschlichen und also auch
des künstlerischen Fortsehritts. Ihr Schicksal war
nach dem Erfolg Verfall, Untergang und ein mehr
oder minder berechtigtes Kultivieren dogmatischer
Grundsätze.
Gegenüber diesen Erscheinungen haben die
askonesischen Künstler durchaus ein anderes Ge-
sleht. Gewiß haben sie sich gruppenhaft zusammen-
geschlossen, eine Vereinigung „Der große Bär“, der
sieben Künstler angehören, ist zustandegekommen,
aber es fehlt die Kampfstellung nach außen, das
Pathos des Prinzipiellen, das Verfechten heftig um-
grenzter stilistischer Eigentümlichkeiten.
Nichtdestoweniger ist die Art und Weise des
Auftretens und künstlerischen Bemühens von be-
deutsamen Belang. Es ist die Wirksamkeit aus einer
Landschaft heraus, die fruchtbar, lebendig, daseins-
üppig und kräftig genug ist, um Wurzelboden für
viele und keineswegs immer am gleichen Strang
ziehende Erscheinungen zu sein, ohne die Gefahr
einer lokalen Einseitigkeit heraufzubeschwören.
Es ist Tessiner Boden, der mehr als jeder andere
Landstrich in Europa heute die Bedeutung eines
ungewöhnlichen Kulturzentrums beanspruchen
kann. Ascona am Lago maggiore besonders ent-
wickelte sich nach und nach zu einer ausge-
sprochenen Lebenssphäre für künstlerische Naturen,
die allerdings nicht mit dem neuerlich recht tri-
vialisierten Begriff einer Künstlerkolonie um-
schrieben werden darf, sondern die in ihrer sonder-
artigen Mischung aus südlichem Glanz, landschaft-
licher Beruhigtheit und stetem Anreiz zum stillen,
fast bukolischen Verweilen unbegrenzte An-
ziehungskraft besitzt. Tatsächlich gibt es auch im
heutigen Europa sehr wenige Künstler, die nicht in
irgendwelcher Beziehung mit Ascona verbunden
sind; wie in der ersten Hälfte des vorigen Jahr-
hunderts das römische Element mehr oder minder
offensichtlich in den Kunstwerken zu entdecken

ist, so könnte man gegenwärtig gleicherweise von
einem asconesischen Element sprechen.
Von den Malern selbst, die sich als Gruppe
„Der große Bär“ zusammengeschlossen haben, und
die jetzt zusammen mit anderen, gleichfalls eng
mit Ascona verbundenen Künstlern ausstellen, ist
bisher verhältnismäßig wenig in der breiten
Oeffentlichkeit bekannt geworden. Marianne
von Wereffkin kennen wir aus kunstkämpfe-
rischen Zeiten. Ihre bildkiinstlerischen Bemühungen
waren ein Teil jenes wichtigen Vorstoßes in Neu-
land, den „Sturm“ 1913 mit dem ersten deutsehen
Herbstsalon in Berlin unternahm. Seitdem zielt
sie auf den Ausbau mythisch erfühlter landschaft-
licher Komplexe hin. Es läßt sich nicht leugnen,
daß in diesen Versuchen noch viel Ungeklärtes
vorhanden ist, dennoch paßt die spezielle Be-
mühung als Ausgleich in die Gesamtbedeutung der
sieben Mitglieder des „Großen Bären“, die beste
malerische Qualitäten ins Treffen führen können.
Da ist Albert Kohler, dessen kultivierte
Farbigkeit ein gleichwertiges Aequivalent in der
vorzüglichen Herausschälungsarbeit jedweden The-
mas hat und der in großen Kompositionen oft
glücklicher als sein Landsmann Hodler immer noch
ein Lebenstüchtiges herauszuklären vermag. Mehr
lyrisch gestimmt ist ein anderer Schweizer, E r n st
F r i ck , ohne indessen in weichliche Stimmungen
zu verfallen. Es zeigt sich vielmehr, daß in seinen
mit handwerklicher Gediegenheit durchgeführten
Gemälden das zum Ausdruck kommt, was man
sonor nennen könnte, in der Unanmaßlichkeit des
Aufbaus geradezu eine imponierende Sonorität,
die ein Deutscher des Kreises, Otto Nie-
meyer, bislang nur andeutungsweise zu er-
reichen vermochte. Des anderen Deutsehen Kunst-
wollen bewegt sich in der Richtung auf figürliche
Kompositionswerte in Einklang mit der Farbe als
tieferführendem Element. Der Name dieses Künst-
lers, Otto Helbig, hat zweifache Bedeutung,
einmal im Hinblick auf seine auch bei uns be-
kannte künstlerische Eigenart und weiter als Iniator
und Organisator der Gruppe. Ein Amerikaner,
Gordon MacCouch, und ein Holländer,
Otto van Rees, schließlich runden mit ihren
bildkiinstlerischen Ideen das Bild dieser gleicher-
weise aufeinander abgestimmten und als einzelne
 
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