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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 2.1928

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Nr. 8/9
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Wetzel, Ines: Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.67647#0093

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KARL DEPPERT (DARMSTADT)

MUTTER UND KIND

MALEREI
VON
INES WETZEL, BERLIN

Malen ist Glücklichsein.
Kein Leid des Lebens und keine Härte des Schicksals läßt
freiwillig verzichten auf das Glück, malen zu dürfen, Maler
sein zu dürfen.
Maler sein ist vielfach leben, Intensität leben.
Der Maler erlebt immer aufs neue vollkommenstes Glück,
Kindheitsglück, das ist: gestalten zu dürfen.
Gestaltungstrieb und Spieltrieb sind die Urwurzeln der
Kun st.
Der Erschaffende allein ist losgelöst, abstrakt gesehen,
von Zweckarbeit; ungehemmt und restlos lebt er seinem
Ausdrucksbedürfnis, dem Primärinstinkt aller Kreatur.
Primitive Triebhaftigkeit, sich Lustgefühl zu schaffen im
E r schaffen, ist der Ursprung der Malerei.
Aesthetisches, Problematisches, Dogmätisches, alles ist nach-
träglich in das Erschaffen erst hineinprojiziert von außen
her.
Alle Richtungsstreite, jeder Snobismus, alle modischen
Abbiegungen sind, so gesehen, konstruierte Entstellungen der
unmittelbarsten Offenbarung menschlichen Geistes.
Nur wer mit primitiver Unbefangenheit, unbeschwert

von gedankenloser Tradition anfechtbarer Schulweisheit, vor
ein Bild tritt, dem offenbart sich das Mysterium der Künstler.
Jedes wahre Kunstwerk ist Beglückung und nur weil Un-
befangenheit wenigen geistiger Besitz blieb, herrscht Ver-
wirrung, tobt Streit.
Zu was dieser Streit um Däseinsberechtigung die s er,
um Verwerfung jener Malerei?
Jede ehrliche Malerei ist experimentell, denn jedes Werk
ist das Resultat eines Experimentes, Versuches des Künstlers,
Erlebtes in Bilderscheinung umzuschaffen, gleichgültig ob er
Natur malt oder sie umwertet oder ob er seine Intuition in
abstrakter Konstruktion zum Niederschlag bringt. Wem
kommt es zu, hier „Hosiannah“ und dort „Kreuziget“ zu
rufen?
Nur ob ein Werk dem Gesetz seiner eigenen Erfüllung
gemäß vollendet oder nicht und damit gekonnt oder nicht-
gekonnt ist, untersteht dem zulässigen Entscheid abwägender
Wertung, nichts anderes, wenn überhaupt einfluß-
heischende Werturteile (d. i. Kunstkritik) als notwendig zu
erachten und unentbehrlich sind.
Sind sie unentbehrlich, dann ist es Sache der Betreuer der

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