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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 2.1928

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Nr. 8/9
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Walter, Richard: Die Gestaltung meiner Landschaften
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https://doi.org/10.11588/diglit.67647#0096

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RICHARD WALTER (DARMSTADT)

LANDSCHAFT

DIE GESTALTUNG MEINER LANDSCHAFTEN
VON
RICHARD WALTER

Freude an der Natur und Lust am Wandern beherrschen
mich schon seit friihester Jugend und schufen eine innige
Beziehung zur Landschaft. Als ich erst einmal anfing, Land-
schaft zu malen, da überfiel es mich wie ein Rausch. Schon
in den ersten Morgenstunden ging ich hinaus vor die Stadt,
wo mir jeder Baum und jeder Strauch vertraut war, und
malte, malte, ohne müde zu werden, malte Bild auf Bild
von roten Dächern, blauem Himmel und brauner Erde, die
in ihrem Zusammenklang mich immer wieder fesselten. Was
verschlug es, daß oft kein Geld da war, um Leinwand zu
kaufen; das alte Bild wurde einfach übermalt, wenn mir
etwas Neues auf der Seele brannte. Und war die Vorderseite
bemalt, mußte die Rückseite herhalten. Die Motive stürmten
so auf mich ein, daß ich oft nicht wußte, wie ich die Staffelei
richten sollte, vor der ich manchmal einen ganzen Tag zu-
brachte. Selbst Regen vermochte mich nicht abzuhalten. So
bot ich schadenfrohen Gemütern einmal Anlaß zu boshaften
Freudenausbrüchen, als ich bei Sturmwetter malend an einem
Gewässer stand und der Wind mir in hohem Bogen mein

Werk von der Staffelei hinweg ins Waller riß. Aber gerade
wenn schwere Wolken über der Landschaft hängen und sse
sich so ganz in ihrer wuchtigen Majestät offenbaren, dann
zieht es mich hinaus ins Freie. Dann erlebe ich diese Span-
nung, wie sie Landschaften von einer gewissen Stimmung
und von einem gewissen Aufbau so oft in mir hervorrufen
und die dann zur Gestaltung drängen. Vorstadtlandschaften
in ihrem wechselnden Farbenbestand geben mir die stärksten
Impulse.
Eine Zeitlang hatte mich van Gogh in seinen Bann gezogen.
Damals fühlte ich eine wachsende Aufreibung meiner Kraft.
Dem Einfluß der neuen Sachlichkeit war ich nicht lange unter-
worfen, denn diese Richtung lag nicht meinem impulsiven Arbeiten.
Allen Intellektualismus habe ich über Bord geworfen. Ich
erklügele und ergrübele nicht meine Bilder. Sobald sich das
Auge festgesogen hat, vollendet die Hand die Niederschrift.
Vor allem suche ich möglich!!: starke Eindrücke zu sammeln,
denn nur, wo starke Eindrücke waren, reagiert die Seele mit
starkem Ausdruck.

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