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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 2.1928

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Nr. 10
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Wie kann die Notlage der bildenden Künstler behoben werden?
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Wie kann die Notlage der bildenden Künstler
behoben werden?
Das Kunstgemeinschaftshaus
von S. Margules
Die Gefahren, welche die augenblicklichen wirtschaft-
lichen Verhältnisse für die Entwicklung und für die Lebens-
möglichkeiten, besonders des künstlerischen Nachwuchses,
bilden, liegen nicht nur jedem Kunstfreunde schwer auf dem
Herzen, sondern haben auch die Öffentlichkeit oft genug
und ernsl genug beschäftigt. Diese Gefahren zu schildern
oder ihre Größe auseinanderzusetzen besleht also keine
Notwendigkeit. Auch wer den bestehenden Kunslbesitz noch
so hoch schätzt, wird gern zugeben, daß das Leben der
Kunst ausschließlich durch die Lebensmöglichkeit der Künst-
ler garantiert wird, daß es mit der Kunst zu Ende ist, wenn
die Künstler sich nicht entwickeln können.
Die Lebensmöglichkeit der Künstler und das Leben der
Kunst sind bedroht, die Entwicklung der jungen Künstler
ist so gefährdet, daß nicht irgendeine Wachstumskrise, son-
dern eine Katastrophe der Kunst bevorsteht. Das Leben
der Kunst, auch das der einzelnen großen Künstler, hat sich
immer im Nach- und Gegeneinander der künstlerischen
Gruppen, in der Aufeinanderfolge der Schulen entwickelt.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der
Gegenwart türmen nicht nur den einzelnen
Künstlern, sondern auch diesen künstle-
rischen Gruppen Schwierigkeiten entgegen,
die nunmehr unüberwindlich scheinen. Die
künstlerischen Vereinigungen, durch die Inflation und die
fortwährende Krise wie jedes einzelne Wirtschaftsobjekt ge-
schwächt, sind nicht mehr in der Lage ihren notleidenden
Mitgliedern — und wieviele von ihren Mitgliedern leiden
denn nicht Not! — eine auch nur kärgliche, eine einiger-
maßen ausreichende Unterstützung zu gewähren. Sie sind,
selbst notleidend, auch nicht mehr in der Lage, die Öffent-
lichkeit ausreichend für die Arbeiten ihrer Mitglieder zu
interessieren. Dies aber ist neben der durch Verkehr und
Austausch geschehenen Förderung der inneren Entwicklung
immer die vornehmste Aufgabe dieser Künstler-
gruppen und K ü n st 1 e r v e r e i n i g u n g e n ge-
w e s e n. Der einzelne Mäzen, der einzelne Kunsthändler
kann der interessierten Öffentlichkeit niemals in diesem
Maße ein geschlossenes Bild des künstlerischen Wollens
geben, und heute weniger als je.
Die wenigen Kunsthändler, die den Künst-
lern Ausstellungsräume zur Verfügung
stellen können, leiden selbst unter der all-
gemeinen Schwierigkeit, ja sie leiden natur-
gemäß unter den Schwierigkeiten aller
andern: d. h., sie finden in der öffentlich-
keit nicht genügend Interesse und nicht ge-
nügend Unterstützung, um guten Mutes das Ex-
periment wagen zu können, das die Propagierung eines
jungen und noch unbekannten Künstlers immer bedeutet,
ja, das sie gerade dann am meisten bedeutet, wenn es sich
um Künstler von Rang und neuartiger Kraft handelt. E s
liegt also nahe, daß diese Kunsthändler ge-
zwungen sind, immer wieder Arbeiten von
denjenigen Prominenten zu zeigen, als deren
Vertreter sie von jeher galten und denen sie die geschäft-
lichen Erfolge früherer Zeiten zu verdanken haben.

Wenn es so weitergeht, dann wird die deutsehe Kunst
nicht nur stranguliert, sondern eingehen, dann wird sie aus
Mangel an frischer Luft ersticken. Die Situation ist un-
haltbar, alles kommt jetzt darauf an, der deutsehen Kunst,
d. h. dem Künstler und vor allem dem jungen Künstler,
diese frilche Luft wieder zubringen, also ihm die Öffentlich-
keit zu verschaffen.

Alles kommt darauuf an, Künstler und Kunst-
freunde w i cd er häufiger und in geregelter
Art zu s am m c nzub r i n gen.
Zur Lösung dieses dringlichsten Problems erscheint die
Gründung eines Kunstgemeinschaftshauses der rechte Weg.
Es ist nicht nur eine der Hauptgefahren für das künst-
lerische Leben, daß es in Berlin überhaupt an Räu-
men mangelt, die zur Vorzeigung bildender Kunst
wirklich geeignet sind, es sleht sogar schon so, daß, nicht
zuletzt wegen der Folgen dieses Mangels, die noch bestehen-
den Vereinsgruppen ihrer Auflösung entgegen-
gehen.
In allen diesen Räumen aber fehlt a u ch
völlig ein wirklicher Kontakt zwischen den
ausstellenden Künstlern und den am Kaufen
oder S ch a u e n interessierten K u n st f r e u n d e n.
Keine Berliner Aus st e 11 u n g ist auch abends
geöffnet. Die vielen Interestenten, die durch ange-
strengte Arbeit den Tag über festgehalten werden, be-
kommen Ausstellungen, die sie interessieren, überhaupt nicht
zu sehen. Es fehlt der Boden, auf dem Künst-
ler und Kunstfreunde sich treffen können,

Wilhelm Wagner


auf dem sie in einen künstlerisch und — auch das ist durch-
aus notwendig — finanziell für beide Teile wirklich er-
giebigen Austausch gelangen können. Die Gelegenheit zu
einer wirklichen gegen seitigen Anregung und
Befruchtung fehlt völlig-
Diesen Boden, diese Gelegenheit soll das Kunstgemein-
schaftshaus beiden Parteien, die man heute wirklich als

Parteien ansehen kann, geben, und nur das Kunstgemcin-
schaftshaus kann sie ihnen geben.
Dies Haus muß so angelegt werden, daß
es für alle überhaupt in Frage kommenden
künstlerischen Vera nstaltun gen öffent-
licher und privater Art geeignet ist und
verwendet werden kann; es verlieht sich, daß
dieses Haus, das in Berlin die deutsehe Kunst repräsentieren
soll, auch äußerlich einen besonders würdigen Eindruck
machen muß; als beste Herberge für Kunstwerke geplant,

muß es selbst eine künstlerische Lösung hohen Ranges sein.

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