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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 2.1928

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Nr. 10
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Der Dichter als Modell
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https://doi.org/10.11588/diglit.67647#0138

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Pros. Max Sleoogt

Prinatbesih: Herr Melsbach, Starnberg i. B.

in
als
im
zu

Tische stand eine Flasche Kirschwasser, und wir schwiegen oder spra-
chen von unsern Vaterstädten, (teilten belustigt fest, wie
ähnlich sleh solche Provinzsiedlungen mit ihren Typen sind,
hatten für derlei Dinge denselben liebevoll-mokanten Blick
und Ausdruck. Und nach getaner Arbeit (seinerseits) und
Muße (meinerseits) schritten wir leis beschwingt vom Atelier
jeder zu seiner Behausung, wo die Gattin ihn mit dem liebe-
voll zubereiteten Mahle erwartete. Man könnte sagen, eine
Mischung aus Homerischem und Ringelnatzischem umwob
unser Tun. Als Emmy Röder eine Büste von mir schuf, gab
es Danziger Goldwaster dazu und für meine Tierliebe ein
entzückendes Kätzchen. Ein Maler aber glaubte mich mit
einer Kanonade von Kalauern bei guter Laune erhalten zu müsien,
es war entlctzlich, und ich wurde lebhaft an jenen Photographen
erinnert, der bei nicht

mehr kindischen Kindern die „freund-
liche” Fratze durch läppisches Schlüstel-
hochwcrfen oder ähnlich albernes
Getu hervorzuzaubern gedachte und
gerechterweise das äußerste an Ver-
drießlichkeit und beleidigter Vi-
sage erzielte. Das bequemste für
mich waren jedenfalls Großmann und
Dolbin, die zeichneten mich, ohne
daß ich es merkte. Was ich mir
im stillen jedoch immer ersehne, ist
der Maler oder Bildhauer, der meine
Seßhaftigkeit durch ein erotisches
Vergnügen würzt, mich zusammen
mit weiblicher Nacktheit porträtiert,
den Vorteil seines Berufes einmal zu
meinen Gunsten einsetzt. Denn die
Frauen leider dürften eines Lyrikers
sehr gerechtfertigten Antrag: „Ich
möchte gern Akt dichten!“ nicht
ernst nehmen.

ich las irgendeine Dichtung vor, er malte
und plötzlich ertönte ein Schnarchen: seine
eingeschlafen. In Berlin
mich zuerst Ludwig F
war seine ekstatische
sprang er um mich
der Indianer um sein
Marterpfahl, keuchte,

DER DICHTER ALS MODELL
VON
MAX HERRMANN (NEISSE)
Alle Maler, die mich porträtierten, lobten meine unver-
wüstliche, ausdauernde Modellruhe. Aber cs ist gar keine
besondere Disziplin oder Anstrengung meinerseits dabei, im
Gegenteil, ich bin immer froh, wenn ich einmal so unbe-
lästigt, unaufgescheucht für mich sitzen und in mich hinein-
sehen oder -hören kann. Oft machten mir allerdings die
Künstler selber die beschauliche Wiederkäuerhaltung schwer
durch ihre eigene Werknervosität oder durch die seltsamc
Vorstellung, daß man unterhalten sein will. Wahrscheinlich
waren sie es so von denen gewohnt, die ihr Porträt bezahlen.
Gehe ich heut im Gedächtnis alle meine „Sitzungen“ durch,
so erinnere ich mich an folgende Situationen. In meiner
Vaterstadt malte mich der Zeichenlehrer, seine Frau war
dabei, und
schweigend,
Frau war
konterfeite
Meidner, es
Periode, so
herum, wie
Opfer am
knirschte, rang sichtlich mit seinem
Gott, als welcher damals die Kunst
war, und nachher gab es, gottlob,
Schnaps oder wir gingen in eine Bar
und ergötzten uns an den tanzenden
Mädchen. Schließlich fand ich
George Groß den Maler, der
Gleichgestimmter und -gesinnter
Künstlerischen und Menschlichen
mir paßte, er zeichnete und malte
mich oft und gern, ich saß ihm oft
und gern, das waren gemütliche
Freundschaftsstunden, meist vormit-
. tu ir r j rj Renee Sintenis Pferd (Radierung)
tags zwischen elf und drei, auf dem Prioatbesih: Herr Paul Scheurich, Berlin



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