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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 2.1928

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Nr. 8/9
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Nostitz, Helene von: Subiacco
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https://doi.org/10.11588/diglit.67647#0085

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Subiacco verübt wurden. Es
scheint, daß die menschliche Natur
in jener Zeit ohne die Zucht der
strengsten Askese in dieser diilEe-
ren Umgebung in orgiastischen
Wahn verfiel. Auch der Räuber
Fra Diavolo soll in diesen Bergen
sein Wesen getrieben haben. Als
durch dieAnwesenheit von Huren
immer wilderes Leben seinen
Einzug hielt, verließ der Heilige
Benedetto Subiacco und wandte
sich, von seinen Raben um-
flattert, nach Süden, wo er bald
ein neues Klotter, Monte Cessino,
gründete. Es ist merkwürdig,
wie in der neuen Zeit diese hero-
ische und dämonische Landschaft,
in der die Berge wie unheim-
liche Tiere in die offenen Schluch-
ten hinunterstürzen, die Heimat für eine Gruppe
von philisterhaften, behäbigen Mönchen geworden
ist, die schmunzelnd die heilige Grotte, den Dornen-
busch, die Raben für einige Franken demTouristen
zeigen. Es will uns fast unglaublich scheinen, daß
an einem Ort, wo früher der Mensch das äußerste
an Leidenschaft aufbrachte und nur durch ge-
spannte Askese den Mächten der sichtbaren und
unsichtbaren Welt widerstehen konnte — Men-

schen leben, deren einzige Sorge
die Instandhaltung des Gartens
und der alten Mauern ist, die,
an den Felsen geklammert, jeden
Augenblick einstürzen können.
Wo Propheten fasteten und Ver-
brecher ihrW esen trieben, vegetie-
ren jetzt mönchischeHandwerker,
die in der Sorge um das tägliche
Brot und die Erhaltung ihres
ereignislosen Lebens ihr Dasein
fristen.—Wo ist die Atmosphäre,
die, wir fühlen es, hier früher Tra-
gödien schuf. Die Spannung lebt
nur noch in den heroischen Linien
der Landschaft, deren Anblick
einem immer wieder ergreift wie
der Auftakt zu einer antiken
Tragödie. Wie ich von schwin-
delnder Höhe hinunterblickte,
stand auf scharfer Felskante ein Mönch in schwar-
zer Kutte und schaute in die Ferne. Er sehlen mit
den rotbäckigen Brüdern, die wir eben verlassen
hatten, nichts zu tun zu haben. Vielleicht lebt in
ihm etwas von dem Geist, der den heiligen Bene-
detto in jene dunkle Grotte trieb und ihn dann
wieder in die Ferne drängte als er fühlte, daß er
die zerstörenden Mächte hier nicht mehr zu bannen
vermochte.
 
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