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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 3.1928/​1929

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ZEITSCHRIFT FÜR KUNST UND LITERATUR


NUMMER 1-3

1928

III. JAHRGANG

SONDERHEFT: ZEHN JAHRE NOVEMBERGRUPPE

ZEHN JAHRE NOVEMBERGRUPPE
VON
DR. WILL GROHMANN

Zehn Jahre Novembergruppe 1918 bis 1928
— ein entfcheidender Abfchnitt gegenwärtigen
Kunftlebens und trotz fruchtbarer Weiterarbeit
bereits ein Stück Kunftgefchichte. Wir haben feit
der Kataftrophe und der Wiedergeburt im
November 1918 in einem Tempo gelebt,
das vieles Gefchichte hat werden lallen, was
kaum Geftalt gewonnen hatte. Ein Menfchen-
alter zurück fcheint uns zu liegen, was wir
felbft vor zehn Jahren miterlebten und mit-

Gute im Menfchen zu glauben und die beftmög-
liche Welt zu erfchaffen. Das Pathos war echt und
ethifch betont, fogar bei den halben Naturen, die
fich in kurzer Zeit als Opportuniften zu den
Futternäpfen konkreter Mächte hinwegftahlen.
Wieviel Träume fchienen Wirklichkeit werden zu
wollen, und fogar für den Künftler war Platz im
neuen Staat, in der neuen Gefellfchaft. So fchien
es wenigftens. Die graufame Vereinfamung diefer
weltfremd gefcholtenen Außenfeiter follte zu Ende

fchufen. Hiftorifch geworden ift uns manches
im politifchen und wirtschaftlichen Leben, an dem
wir noch Jahrzehnte zu arbeiten haben werden.
Und denken wir zurück an den ungeheuren Durch-
bruch der künftlerifchen und geiftigen Gewalten
Ende 1919, der Kräfte, die zum Teil fchon nach
der Jahrhundertwende fich geregt hatten und
immer brutaler zurückgehalten worden waren, fo
begreifen wir nur zögernd eine Leiftung, die wir
felbft mitvollbrachten, einen Glauben, der Berge
zu verletzen fich fähig fühlte und der hundertmal
enttäufcht, noch nicht aufgehört hat, für eine
belfere Welt zu werben. Es gefchah das Wunder,
daß mit wenigen Ausnahmen alle fich als eine Ge-
meinfchaft fühlten, moralifch verpflichtet, an das

fein, man verlangte von Staat und Volk, aber man

bot reiche Gegengaben. Die Grenzen der Künfte

waren belanglos, man wollte das eine: Ins Volk

fich hineintragen und
es verwandelt empor-
tragen. Dichter, Mu-
fiker, Maler, Archi-
tekten, Schriftfteller
fchloften fich zufam-
men in dem Wunfche,
der bisherigen Ein-
heitsfront der Beam-
ten und Intellektuel-
len eine folche der


fchöpferifchen Kräfte

Will Grohmann
 
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