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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 3.1928/​1929

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Nummer 1-3
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Hausmann, Rudolf: Die Kunst und die Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.65605#0082
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Lyonei Feininger Gelmeroda IX



Lyonei Feininger

Architektur II (7927)


Lyonei Feininger 18? 1 Nen) York
DIE KUNST UND DIE ZEIT
VON
R. HAUSMANN
Alles Gefchehen in der Welt, die wir die unfere
zu nennen gewöhnt find, bildet den Menfchen um
und die Veränderungen im Gebiete der Oekono-
mie, der Technik, des Geiftes und der Kunft find
nur Zeichen, Merkmale für den Menfchen, um aus
ihnen über feine veränderte Anfchauung vom Ich
und feiner Einordnung in die Gemeinfchaft, die
Umgebung, fich Bewußtheit zu verfchaffen. In
dem ungeheuren Gefchehen unferer Zeit, in dem
alle alten feftftehenden Werte relativ, unficher
wurden, mußte vor allem auch die Kunft als leben-
diger Anfchaungsunterricht, den der Menfch fich
gibt, um die Welt in fich und fich in der Welt zu
erkennen, eine veränderte Stellung einnehmen.
Wie wir allen gedanklichen, wiffenfchaftlichen,
ökonomifchen Befitz ins Wanken geraten fehen, fo
gerieten auch unfere Vorftellungen auf dem Ge-
biete der finnlichen Erkenntnisfähigkeit und ihrer
verfchiedenen Ausdrucksformen, wie Malerei, Pla-
ftik, Architektur und Mufik, ins Wanken, fie traten
plötzlich in ein bisher nicht dagewefenes Stadium
des Experimentierens, für das die Kunfthiftoriker
nur fehr fchlechte Erklärungen vorbringen konn-
ten, da fie als zurückblickende, aufzeichnende
Menfchen ganz unlebendig find, und die Zeichen
der Zeit immer von einem willkürlich aufgeftellten,
abfoluten äfthetifchen Wert aus mißverftehen, bis
zu dem grotesken Punkt, an dem Spengler und
Worringer anlangten, daß fie, weil ihnen keine
Vergleichsmöglichkeiten aus irgendeiner hiftori-
fchen Periode für den Experimentalzuftand, z. B.
der heutigen Malerei und Plaftik, zugänglich waren,
mehr ahnungslos als kühn behaupten, die Kunft

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