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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 3.1928/​1929

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Nummer 1-3
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Grünthal, Ernst: Abstrakte Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.65605#0055
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Georg Tapperl.

ABSTRAKTE KUNST
VON
ERNST GRÜNTHAL
Richtig betrachtet ift der Begriff „abftrakte
Malerei“ fowohl im Sinne von „abftrakter Dar-
ftellung“ wie von „Darftellung von Abftraktem“
gänzlich unmöglich. Denn erftens ift jede Dar-
ftellung konkret, da ja Form und Farbe fichtbar
find; zweitens ift alles Abftrahierte (zu Deutfeh:
vom Leben Abgezogene, begrifflich Schematifierte)
unfichtbar, lebendiger Darftellung entriffen. Ab-
ftrakt ift das begrifflich Deftillierte, konkret das
lebendig Erfühlbare. Nur fofern etwas konkret
erlebt wird, ift es fchöpferifch geftaltbar.
Abftrakte Malerei nennt man nun gemeinhin
alles, was feinem gegenftändlichen Inhalte nach
gerade nicht begrifflich erkennbar gegeben ift; wo-
von man alfo nicht ausfagen kann: das ift ein
Haus, eine Stube, eine Wiefe, eine Blume. Der
Sinn von „abftrakt“ ift damit völlig umgekehrt.
Zugleich bezieht man diefes „abftrakt“ aber
auf etwas, das mit Malerei als Kunft gar nichts zu
tun hat. Der Maler nämlich macht nicht „begreif-
lich“ (kommt von „Begriff“!) fondern „fichtbar“:
was an den Dingen Lebendiges, Unbegriffenes bis-
her noch unfichtbar war. Er fieht das; es ift ihm
konkret, finnlich gegeben, allo darftellbar. Er ift
zugleich Entdecker und Schöpfer unerblickter
Qualitäten der Natur, wenn überhaupt er Kunft
gibt. Die anderen Menfchen haben nie gefehen,
was er erblickt. Daher fcheint er für fie nie zu
feilendes Abftraktes malen zu wollen. In Wahrheit
gibt er aber nur bisher nicht Gefehenes.
Man könnte mit mehr Recht zunächft einmal
jene Kunftbetrachtung abftrahierend nennen, die


Georg Tappert

Tänzerinnen (1920)

Georg Tappert Komposition (1919)


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