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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 3.1928/​1929

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Nummer 4-5
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Schulz-Albrecht, August Julius: Rudi Lesser
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https://doi.org/10.11588/diglit.65605#0147
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RUDI LESSER SELBSTBILDNIS (AQUARELLE ZEICHNUNG)


RUDI LESSER
VON
Dr. OTTO BRATTSKOVEN

Gewiffermaßen zwilchen den Schlachten der einzelnen
Stilrichtungen flößt man dann und wann auf einen Künft-
ler, der eigentümlich abfeits fleht. Auf eine Erfcheinung,
die gewiß nicht aus dem Zeitlichen herausfällt, die aber
trotzdem ihre Darftellungen ganz auf der Bafis einer indi-
viduellen Pfyche entwickelt, feltfam folgerichtig und ohne
viel nach rechts und links zu fchauen. Wie beifpielsweife der
Fall Touloufe-Lautrec oder neuerlich der von Alfred Kubin
erkennen läßt, handelt es fich vorwiegend um Perfönlich-
keiten, die, gerade weil fie thematifch einfcitig, manches zu
fixieren vermögen, was am Rande des Gefchehens oder fec-
lifch-unterirdifch in Aktion ift.
Zu diefen intereffanten Außenfeitern ift auch ein bisher
Unbekannter, Rudi Leffer, zu zählen, der in auf den
erften Blick primitiv erfcheinenden Arbeiten feltfam zwangs-
läufig in eine Sphäre gerät, die beftimmt durch eine unbe-
rechenbare und fonderwillig gebrochene Strichführung über-
zeugend das fpiegelt, was der Künftler hinter und zwifchen
dem Motivifchen empfindet. Es ift kein Herausholen von
Atributen und überlieferten Emblemen, die fonft zur Ver-

deutlichung des Rätfelvollen, Grotesken oder Graufigen her-
halten müffen, vielmehr metalogifch und naturnotwendig
das Blickfeld eines Menfchen, der nur fo betrachten und
entfprechend formulieren kann.
In frühen Blättern, in denen man noch den Einfluß des
Lehrers erkennt, zeigt fich dies ganz augenfällig. Unver-
kennbar läßt fich an einer Radierung „Straßenecke in
Hechingen“ die Hand von Hans Meid rekognofzieren, die
typifche Art, Schwärzen zu benutzen, um das Thema gra-
phifch zu verlebendigen. Während aber Meid durchweg
fäuberlich im Umriß bleibt, lockern fich bei Leffer die Kon-
turen fchon in einer Weife, die fpäter für feine Art bezeich-
nend wird. Unter feinen neueren Arbeiten imponiert eine
aquarellierte Federzeichnung „Selbftporträt“ durch die Treff-
ficherheit, eine Lithographie „Straße in Berlin-Wedding“
durch das Außergewöhnliche der Betonung. Das Ganze viel-
leicht eine morbide Kunftwelt, aber dennoch im Schöpfungs-
finne Geftaltungen, die über jedem Zweifel den konfequen-
ten Ausdruck eines individuellen Empfindens bedeuten.

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