ERNA PINNER
DAMWILD (RADIERUNG)
ERNA PINNER
VON
ANTON MAYER
Das Beftimmende bei der Geftaltung eines
Kunftwerkes ift immer die Wefensart des Schaf-
fenden, welche, ohne daß es dem Künftler möglich
wäre, mehr als die allgemeine Natur des Werkes
feftzulegen, ihre eigenen verfchlungenen Pfade
verfolgt, und ftets den intenfiv Schaffenden zu
ihrem eigenen letzten und feftgefetzten Ziele
führt. Daher befleht denn auch außer allen durch
Aeußerlichkeiten bedingtenUnterfchieden zwifchen
den Kunftübungen von Mann und Frau immer
eine generelle Divergenz, die keineswegs eine
qualitative zu fein braucht; die Auffaffung der
Natur, die Weltanfchauung aber wird fich in den
von weiblichem Sugenima gefertigten Werken
ftets dem näher Zufehenden offenbaren, und jene
Atmosphäre zu fchaffen willen, welche uns wäh-
rend einer Unterhaltung mit einer guten und
geiftvollen Freundin umfängt — vorausgefetzt,
daß die Schöpfungen, um die es fich handelt, in
der Tat den Namen Kunftwerke verdienen.
Erna P i n n e r s Tiergraphik beweift fogleich
ihren Anfpruch auf die Zugehörigkeit zu den Ge-
bilden echter Kunft; denn fie erfüllen die Haupt-
forderung, die an jede folche Geftaltung geftellt
werden muß: die Einheit von Form und Inhalt.
Zufällige oder abfichtliche Abweichungen von der
durch den feelilch-geiftigen Gehalt gebotenen
Form, pathetifche Aufgeblafenheit, die das innere
Nichts zu verdecken bemüht ift, oder eine Aerm-
lichkeit des Ausdrucks, welche dem überquellenden
Reichtum der Gedanken und Empfindungen nicht
entfpricht find niemals fähig, Träger wahrhaft ge-
ftalteter Kunftwerke zu fein; die Klarheit gelun-
gener Abficht fpricht fich dagegen in der Con-
gruenz jener beiden Hauptbeftandteile künftleri-
fcher Darftellung überzeugend aus. Erna Pinner
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