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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 3.1928/​1929

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Nummer 4-5
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Schulz-Albrecht, August Julius: Edwin Scharff
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https://doi.org/10.11588/diglit.65605#0117
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EDWIN SCHARFF
VON
DR. OTTO BRATTSKOVEN

Der Bildhauer Edwin Scharff ift einer
der wenigen deutfchen Plaftiker, deren Arbeiten


EDWjN SCHARFF STEHENDE FRAU (BRONZE)

monumentalen Gehalt in direkt überzeu-
gendem Sinn befitzen. Was vor den * Plaftiken
anderer, wenn auch gleichfalls bedeutender zeit-
genöffifcher Künftler mehr wie eine glückliche
Darftellungsgabe ausgefprochen perfönlicher Na-
tur anmutet, weitet fich in den Werken von
Scharff zu einer Plaftizität faft metaphyfifcher Art,
zu einer fkulpturalen Bildung überwirklicher Ge-
fchloffenheit. Diefe Tatfache, noch verftärkt durch
eine fpezififche Gegenwärtigkeit, kommt befon-
ders augenfällig zum Ausdruck, wenn man feine
Skulpturen mit jenen vergleicht, die allerorten
aus dem Bemühen gefchaffen find, die Tradition
des körperlich-vialen Motivs zugunflen eines rein
abftrakten Themas zu überwinden. Was dort
meift ein problematifcher Verfuch aus dem Unge-
wißen, ein vages Experimentieren ift, verliert in
den Bemühungen von Scharff fofort den Charak-
ter des Zwiefpältigen, ohne daß man behaupten
könnte, in feinen Bildwerken wäre weniger das
Hinflreben auf neue Darflellungsformen zu er-
kennen.
Es kann der Hinweis nicht unterlaßen werden,
daß der 1887 in Neu-Ulm geborene Scharff nicht
urfprünglich bildhauerifch, fondern als Maler fich
betätigte und als Lernender verfchiedene Lehr-
ftätten in München befuchte. 1907 erhielt er den
Rom-Preis, große Aktkompofitionen find das Er-
gebnis feiner Reifen nach Italien, Spanien und
Paris. Bei aller imponierenden Sonderwilligkeit
diefer Gemälde fpürt man den fpäteren Bild-
hauer noch nicht, wohl aber ein Geftaltungs-
vermögen, das bei aller Abftraktion nichts an
Vitalität einbüßt. Erft 1912 beginnt er als Plafti-
ker zu arbeiten, um nun bis heute eine Entwick-
lung durchzumachen, die als folche etwa der des
Malers Carl Hofer verwandt ift. Ganz elementar
beginnt er die Grundbegriffe feines Formwollens
auszuprägen, faft allzu beengt und trocken fchei-
nen heute diefe Verfuche. Und dennoch wirken
fie notwendig als Anklänge und perfönliche Klar-
machungen. Energetifch weitet fich die Typik
ganz allmählich in individuell nuancierte Monu-
mentalität, bekommt „Farbe“ und wird fchließlich
das großzügige und unverwechfelbare Darftellungs-
vermögen einer fchöpferifchen Kraft, die aus
ftrenger Sachbeobachtung und innerer Selbftändig-
keit zu ihrem heutigen Vorrang herangewach-
fen ift.

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