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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 3.1928/​1929

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Georg Leschnitzej- Wandlung (1921)


Börfen-Courier, 15. Dezember 1926:
Zukunftsmusik
Ein Vorfpiel in der „No vemb e r g r upp e" machte
mit einigen Stücken bekannt, die auf Anregung der Ver-
anftalter der Donauefchinger Kammermufikfefte für das
mechanifche Klavier (den Welte-Steinway-Flügel) kompo-
niert und gelegentlich der diesjährigen Mufikwoche dort auf-
geführt worden find. Es find die erften Verfuche junger
Komponiften, fich ein neues Material zu eigen zu machen.
In den „Studien“ von Georg Münch und Ernft Toch ge-
fchieht dies noch ganz bewußt, bei Münch mit merkbarer
Abficht auf Klangkombinationen, die noch eine äfthetifch

Georg LesdinUxer 1885 Tarnomilz


akzeptable Form finden, bei Toch geiftreicher in belebten
Rhythmen und mit einer Fähigkeit zum abgelöft Spieleri-
fchen, die feine formale Könnerfchaft glücklich aufhellt. In-
deflen Hindemiths abfolute Begabtheit ein Stück des er-
weiterten Spielraums in beweglicher Fülle erobert.
Wefentlicher jedoch als diefes teilweife erfreuliche Ergeb-
nis ift die grundfätzliche Einflellung zu dem hier angebahn-
ten Weg.
Die Verbefferung der mechanifchen Mufikinftrumente,
die, in letzter Zeit von verfchiedenen Seiten aufgegriffen,
refpektable Fortfehritte gemacht hat, galt in erfter Linie der
automatifchen Reproduktion und war von diefem Stand-
punkt her umftritten. Tatfächlich ermöglicht das Welte-
Pianola bereits eine ziemlich ungeftörte Illufion des Finger-
fpiels, die vorgeführten Rollen, die Debuffy und Scriabine
mit eigenen Kompofitionen befpielt hatte, erwiefen die Vor-
züge und noch beftehenden Unvollkommenheiten der Tech-
nik. Es ift wahrfcheinlich, jedoch von begrenzter Wichtig-
keit, ob durch weitere Vervollkommnung hier oder im
Grammophon unveränderte Fixierung und Vervielfältigung
einer einmaligen Klangform erreicht werden kann. Mög-
lich, daß die unwillkürliche Abneigung gegen die Ausfchal-
tung des perfönlichen Spielers überwindlich wäre, fobald eine
neue Generation, gehörsempfindlicher, Präzifion höher
fchätzt als die bisweilen zweifelhafte Individualität. Da-
gegen eröffnen fich neue Möglichkeiten, deren Ausnutzung
die Donauefchinger Anregung bezweckte: das fingerlofe
Klavier übertrifft an Schnelligkeit, Spannweite, Genauigkeit
die fpielende Hand. Die klingende Rolle kann alfo durch
graphifche Niederfchriften eine Tonphantafie verwirklichen,

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