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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 3.1928/​1929

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Nummer 4-5
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Jaretzki, Helmut Jaro: In der Werkstatt der Lebenden
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https://doi.org/10.11588/diglit.65605#0145
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HANS KRAUS

LANDSCHAFT (OEL)

IN DER WERKSTATT DER LEBENDEN
VON
HELMUT JARO JARETZKI

Hans Glaser
Mehr denn je erwacht in dem in der Großstadt wirken-
den Künstler die Sehnsucht, sich aus dem Tempo der Hast
herauszulösen, in der Natur der Ländlichkeit, der Stille zu.
arbeiten, zu schaffen. So hat es denn auch Hans Glaser für
einige Zeit von Berlin hinweggetrieben und die Auslese sei-
ner Arbeit zeigt jene kraftvolle mit jeglicher Konvention
brechende Linie auf, die eine eigene, persönliche Handschrift
des jungen Künstlers erkennen läßt.
Es ist die Natur, ist das Leben in der Einsamkeit, die
wiederum den Wunsch nach dem Pulsen, der Bewegung:
Stadt erfaßt, das Leben, das eine Unruhe entfacht, die dem
Schaffensprozeß besser denn je zugute' kommt. In Hans
Glaser eint sich ein unruhevolles Temperament, das ohne
Zügelung von dem Vorrecht des frei Schaffenden Besitz er-
greift, und eine Besessenheit, in den Farben zu wühlen, ihre
Nuancen, ihre Möglichkeiten auszukosten. So ist denn die
Flucht aus der Stadt eine Befreiung, eine Auslösung des In-
tellekts, der das vitale Element oftmals zu unterdrücken
sucht.
Der Künstler eilt in die Welt hinein. Ein Fahrtbesesse-
ner, heute in der Landschaft Dänemark, morgen im Bayeri-
schen, übermorgen in Frankreich. Und von überall her
bringt er Skizzen mit, die Skizzen der Form, während dann

in dem heimatlichen Atelier die Farben ihr Recht verlangen,
die Skizzen zu Bilder werden. Glaser müht sich nicht um
dokumentierte Schönheit seiner Motive, sondern um Cha-
rakteristik, er sucht nicht, sondern findet immer mit dem
Instinkt die Straße, die Felder, die Häfen heraus. Nicht vor
ihnen steht er, sondern in ihnen sucht er den Ausschnitt zu
erfassen, der das ganze Bild erahnen läßt. Die Charakteri-
sierung des Kleinen, des Details gibt den Eindruck der At-
mosphäre her, die entgegenatmet, die der Betrachter dank-
bar aufnimmt.
Es scheiden sich nur merkwürdig der Zeichner vom Ma-
ler. Der Zeichner ist korrekter, ist fast pedantisch. Man
blättert in den Skizzen und ist über die Sorgfalt der Aus-
führung verwundert, man sieht die mit Rötel gezeichneten
Akte und freut sich an der Vollendung der Formen, der
leisen, feinen Andeutung des Körperlichen. Da entstanden
in der Ecole Julienne die Akrobaten, die Kraftmenschen,
die alle fünf Minuten ihre Stellungen wechselten und immer
wieder in Glaser einen glänzenden zeichnerischen Interpreten
fanden. Hier ist der Künstler Herr über sich selbst, während
beim Malen das farbige Element unweigerlich von ihm Be-
sitz ergreift und er in Ungeduld in dem Wust der Farben
wühlend fast bacchantisch sein Bekenntnis dem rauschenden
sieghaften Leben gegenüber festhält.

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