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Kunst der Zeit: Zeitschrift für Kunst und Literatur — 3.1928/​1929

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Nummer 1-3
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Grohmann, Will: Zehn Jahre Novembergruppe
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https://doi.org/10.11588/diglit.65605#0015
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Bildnis Walter Mehring (1926)
Kunsthalle Hamburg

Gellhorn, aus diefer Gemeinfchaft die Anregung
mitnahmen, im Bau nicht nur eine Tatfache der
Zweckerfüllung zu fehen, fondern eine Möglich-
keit gemeinfamer künftlerifcher Arbeit.
Die Architektur hat als einzige der Künfte die
Zweckbeziehung zum Leben unferer Zeit gefun-
den, die anderen Künfte müllen fleh weiter mit
einer Gefühlsbeziehung begnügen. Die gegenwär-
tige Gefellfchaft dürfte z. B. zu Mies van der
Rohe als Künftler zwar nicht mehr Beziehung,
haben als zu einem konftruktiviftifchen Maler,
aber R ück fichten rein praktifcher Natur lallen
hier das Publikum manches Befremdende mit in
Kauf nehmen.
Die freie Kunft hat leider auch heute zur Ge-
fellfchaft rein platonifche Beziehungen, vielleicht
weil fie in der Zeit weit voraus ift, vielleicht auch,
weil lieh noch keine Einordnung in notwendige

Aufgaben finden ließ. In der Betonung beftimm-
ter Motive, in der Betonung kollektiver Gefühle
haben wir direkte Hinweife, in der dem labilen
Zuftand der Zeit entfprechenden Neigung zur ab-
ftrakten, abfoluten Form, in der dem fehlenden
Gefetz der Zeit entfprechenden Neigung zur Re-
flexion und ratio indirekte Hinweife auf die Zeit.
Kann Kunft wieder Bedürfnis werden? Die Arbeit
der Novembergruppe zielte darauf ab, fie aus dem
Leerlauf zu retten, ihr einen Platz im gegenwärti-
gen Leben anzuweifen. Gerade deshalb durch-
dachte fie mit die Möglichkeiten großer gemein-
fchaftlicher Aufgaben. Die Zeit fcheint dafür wirt-
fchaftlich und künftlerifch noch nicht reif zu fein,
und fo bleibt nichts übrig, als Kunft um der tiefe-
ren Erkenntnis willen zu fchaffen, bis man ihre
Notwendigkeit innerhalb der menfchlichen Gefell-
fchaft begreift.

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