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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Clauß, C.: G. Semper's Entwurf zu einem neuen Hoftheater für Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.5184#0061

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die Vestibüle für Parterre ur>d ersten Rang, wie die
Haupttreppen für ersten und zweiten Rang enthalten.
Ebenso befinden fich in diesen seitlicheu Vorlagen die Un-
terfahrten und darüber Probesäle für das Ballet- und
Chorpersonal. Außerden bereits genanntenHaupttreppen
liegen noch im Segment- oder Foyerbau vier Treppen,
welche zunächst für den dritten, vierten und fünften Raug
bestimmt sind, nöthigenfalls aber von und nach allen
Rängen benutzt werden können. Wie alle diese Anlagen
trefflich verbunden und neben Bequemlichkeit die nöthige
Sicherheit bieten, so sind auch dieBogenumgänge, Garde-
roben u. s. w. geräumig und comfortabel angelegt. Der
Zuschauerraum soll ca. 1800 bis 2000 Plätze enthalten.
Seine Einrichtung ist so ziemlich die frühere, nur daß das
neue Haus einen Rang Logen mehr besitzt. Ebenso zeigen
die königlichen Logen eine opulentere, schönere Gestaltung;
mit einer der edelen Architektur des Prosceniums ent-
sprechenden Gliederung bilden sie einen höchst wirkungs-
vollen Abschluß der Logenreihen des ersten und zweiten
Nanges. Größer endlich als im alten Hause ist, mit Rück-
sicht auf die gesteigerten Erfordernisse der Scene, der
Bühnenraum gebildet. Auch ist demselben, in Form einer
Hinterbühne, ein für Herstellung großer Prospecte werth-
voller und nothwendiger Raum angefügt. Zu beiden
Seiten des Bühnenhauses liegen ebenfalls in flügelartigen
Anbauten, vier Etagen hoch, die Ankleide-, Stimm- und
Konversationszimmer, wie überhaupt alle für den Dienst
und die Annehmlichkeit des Bühnenpersonals erforder-
lichen Räumlichkeiten. Die erwähnte Hinterbühne ist mit-
telst einer Rampe, welche in der Hinterfront hervortritt,
von außen zugänglich.

Wie die Anlage des Jnnern eine ganz vorzügliche ist und
das vollste Verständniß für alle Bedürfnisse, insbesondere
auch für eine hier doppelt erwünschte Sicherheit bekundet,
wie die Anordnung und Verbindung der mannigfaltigen
Räume eiue meisterliche, überaus einheitliche und orga-
nische ist, so schließen sich auch die Haupttheile des Baues,
ihre verschiedenen Zwecke klar zum Ausdruck bringend, in
phantasie- und reizvoller Weise für den Anblick des Aeuße-
ren harmonisch zusammen. Jn lebendig bewegter Sil-
houette springt festlich einladend der Borraum mit dem
Haupteingange aus dem Baukörper heraus; darüber erhebt
sich, nach dem Platze zu, ebenso wie Ler Vorraum in Form
einesSegments, derZuschauerraum; während derBühnen-
raum, als der Hauptraum, anHöhe die übrigen Theile weit
überragt. Die Schauseite wirkt besonders durch die dem
Segmentbau belebend vorgelegte, schön und kräftig ge-
bildete Exedra. Dieselbe, wie bereits erwähnt den Haupt-
eingang und darüber eine Kolossalnische entfaltend, wird
vou einem reich gestalteten Piedestal gekrönt, auf dem sich,
sreistehend, eine Quadriga, Dionysos und Ariadne von
Panthern gezogen, erhebt. Ebenso tragen die an der
Nische freistehenden Sänlen auf den Gesimskröpfungen

überlebensgroße Statuen. Der an die Exedra stoßende
Foyerumgang im Segmentbau spricht sich in einer präch-
tigen Bogenarchitektur aus, welche sich an den einfacher
gestalteten, letzteren Bau an Höhe erheblich überragendeu
Zuschauerraum anlehnt. Jn gleicher Höhe mitdem Foyer-
bau sind alle erwähnten Seitenbauten aufgeführt, und nur
die dem eigentlichen Bühnenraum angefügte Hinterbühne,
welche die Hinterfront bildet, mußte, wegen eines über
derselben befindlichen Magazins für Prospecte etwas
höher gehalten werden. Mit feinem Gefühl für die Be-
deutung der Räume sind auch diese Seitenfronten aus-
gestattet. Wie der Foyerbau, so entfalteu die beiden an
seinen Endpunkten befindlichen Vorbauten ebenfalls eine
reiche und harmonische Bogenarchitektur mit gekuppelten
korinthischendreiviertel oder überdenEinfahrten ganzfrei-
stehenden Säulen. Das Erdgeschoß ist in einer kräftigen
Rustika gebildet, in welcher die Feinheit der Glieder und
Profile zu ganz besonderer Geltung kommen wird, die
Bogengänge sind eingeschlossen von gekuppelten, auf ge-
meinschaftlichem Stylobate stehenden uud stark vorladen-
den bossirten Pilastern, die Schlußsteine der BLgen bilden
Groteskmasken. An den Vorderfronten der Unterfahrten
entsprechen den Pilastern außerdem noch freistehende,
ebenfalls bossirte Säulen; während die erwähnten frei-
stehenden korinthischen Säulen im obern Stockwerk auf
ihren Gesimskröpfungen mit einer Reihe von Statuen
geschmückt sind. Einfacher, aber ebenso charakteristisch und
im Einklang mit der eben geschilderten Architektur, ist der
hintere Theil des Gebäudes und das Aeußere des eigent-
lichen Bühnenraumes gehalten.

Durchgehends stellt so das geistvolle Projekt ein
zweckentsprechendes, würdiges Theater in Aussicht. Und
es bleibt uns nur noch der Wunsch übrig, daß der Entwurf,
purv angenommeu, bald zur Ausftihrung gelange. Doch
scheint sich die Jnangriffnahme des Baues verzögern zu
wollen und zwar durch die unzureichende ständische Be-
willigung. Die Kosten des Semper'schen Baues sind mit
ca. 800,000 Thlr. veranschlagt, während die bewilligte
Bausumme nur 520,000 Thlr. beträgt, eine Summe,
für welche sich gegenwärtig kein dem alten, abgebrannten
Theater auch nur annähernd ebenbürtiges Haus bauen
läßt. Vergeblich leider wurden die Kammern auf das
Unzulängliche ihrer Bewilligung von ministerieller Seite
aufmerksam gemacht. Die bauleitende Behörde, das
Finanzministerium, trägt bei ihrer Verantwortlichkeit den
Ständen gegenüber, unter diesen Umständen ein nicht un-
gerechtfertigtes Bedenken, den Bau in Angriff nehmen zu
lassen. Die Zeiten, in denen derartige Bauten von der
Regierung einfach dekretirt werden konnten, sind eben in
unseren koustitutionelleu Staaten vorüber. Schließlich
dürfte die Angelegenheit nochmals vor die Kammern
kommen. Jmmerhin ein bedauerlicher Aufschub, da
letztere erst znm Herbst sicb wieder versammeln. Wohl
 
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