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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Wenn ich von Feuerbach's „Medea" und „Urtheil
des Paris" zu Ludwig Hofmann's „Blau Blümlein,, über-
gche, so bin ich mir des Zwischenraumes, den ich zu durch-
schreiten habe, recht wohl bewußt, und es ist anch nicht der
Reiz des Gegensätzlichen, der mich bestimmt, Hofmann's
Bild an dieser Stelle zu besprechen, sondern die Ueber-
zeugung, daß es sich hier in der Wahl dcs Stoffes mn
ein Prinzip handelt.

Ein bekannter Kunstschriftsteller stellt den Grundsatz
auf, das, was bereits in dichterischer Form mustergiltigen
Ausdruck gefunden, eigne sich deshalb nicht mehr zur Dar-
stellung durch die bildende Kunst. Von diesem Standpunkte
aus wäre es sonach dem Künstler nicht gestattet, Gestalten
und Scenen aus den Dichtern aller Zeiten in seiner Weise
wiederzugeben. Wenn derselbe durch die Sündfluth der
Jllustrationen zu dieser Anschauung gelangt ist, so kann
man sich dies leicht erklären. Gleichwohl aber muß man
Anstand nehmen, den Satz in seiner Allgemeinheit zu
unterzeichnen, will man damit nicht eine Fülle des schönsten
Stoffes beseitigen, ohne etwas Besseres an seine Stelle
setzen zu können. Jmmerhin aber bleibt es eine überaus
schwierige Aufgabe, Erzeugnisse der lyrischen Poesie mit
Stift und Pinsel nachzubilden, doppelt schwierig, wenn sich
der Künstler ein Volkslied als Thema wählte.

Jm echten Volksliede, von dem Goethe in seinen
Maximen sagt, ihr eigentlicher Werth sei der, daß ihre
Motive unmittelbar von der Natur genommen sind, daß
sich dieses Vortheils aber der gebildete Dichter auch be-
dienen könnte, wenn er es verstünde, — im echten Volks-
liede findet sich ost eine an's Wunderbare grenzende Tiefe
der Anschauung der Natur bei gleicher Versenkung in das
Gemüthsleben, womit sich die einfachste Form äußerer
Erscheinung anmuthig verbindet. Darin liegt hauptsächlich
der Grund, warum sie eigenthümlich zu unserem Gemüth
sprechen, uns trotz aller Naivetät des Gedankens fesseln
und zwingen, diesem, der oft nur halb angedeutet ist, durch
alle seine Folgerungen nachzugehen. Freilich ist die bildende
Kunst ihrer innersten Natur nach auf eine präcisere Dar-
stellung angewiesen;das bloße Andeuten, das in der Poesie
so wunderbar zu wirken vermag, ist nicht ihre Sache. Aber
gleichwohl läßt es sich denken, daß ein Künstler von vor-
wiegend naiver Begabung und feinem Gefühle, von ähn-
lichen Prinzipien ausgehend wie das Volkslied, Wirkungen
der bedeutendsten Art erzielen kann, vorausgesetzt, daß er —
um Goethe's Worte zu gebrauchen — es auch versteht, seine
Motive ebenso unmittelbar der Natur zu entnehmen, wie
jenes. Und damit steht gerade der realistische Zug der
heutigen Kunst in vollem Einklange; denn das Einfache
verlangt auch eine einfache, das Natürliche eine unge-
schminkle Darstellung in Linien und Farbe. Ludwig Hof-
mann, dessen Kompositionen zu Gölhe's „Hermann und
Dorothea" günstig aufgenommen wurden, wählte sich als !

Motiv eines größeren Bildes das schöue Volkslied, das
in Heine's Bearbeitung beginnt:

„Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht", u. s. w.

Es fehlt in diesem einfachen Liede nicht an jenen
eigenthümlichen Gedankensprüngen, mit denen die Volks-
poesie über wichtige Momente als selbstverstanden hinweg-
geht. Dem Künstler blieb, wollte er den Gedanken des
Liedes zum Ausdruck bringen, nur die letzte Strophe zur
Behandlung:

„Sie sind gewandert hin und her,

Sie hatten gehabt weder Glück noch Stern,

Sie smd verdorben, gestorben."

Und so zeigt er uns denn auch das junge Liebespaar
auf einsamer Haide, das Mädchen in des Zünglings
Schooß, beide vomTode dahingerafft, während groß und
ernst der Mond über dem Horizont emporsteigt. Wäre
es kaum möglich, beim Anblick des Bildes auf das in
Frage stehende Lied zurückzukommen, wenn der Künstler
nicht den Text beigegeben hätte, so muß doch zugegeben
werden, daß wir mit dem Text in der Hand vollkommen
den Eindruck in uns aufnehmen, den der Gesang oder das
Lesen des Liedes auf uns macht, und deshalb halte ich
auch die Aufgabe, welche sich Hofmann stellte, so weit sie
überhaupt gelöst werden kann, für gelöst. Was die tech-
nische Behandlung betrifft, so hat der Küustler namentlich
im Kolorit ein richtiges Verständniß dessen gezeigt, was
im gegebenen Falle angemeffen war.

Nekrolog.

Feodor Diez 's'. Der gegenwärtige große Völker-
kampf fordert seine Opfer aus allen Ständen; so kam uns
kürzlich die betrübende Nachricht zu, daß Hofmaler,
Professor Feodor Diez am 18. v. M. bei Gray auf der
Reise von Dijon nach Hause an einem Herzschlage plötzlich
verstorben ist. Schon seit Beginn des Krieges folgte er
den badischen Truppen auf ihrem Feldzuge in Frankreich,
zumeist Aufträge der Karlsruher Vereine für die frei-
willige Kranken- und Verwundetenpflege vollziehend.
Diez hatte stets eine große Vorliebe für den Kriegerftand,
entsprechend seinem Naturell, dessen ganzes Wesen von
einer gewissen Ritterlichkeit erfüllt war, und er folgte
auch in Friedenszeiten gerne den militärischen Uebungen,
bald Studien halber, bald aus sonstiger Neigung. Wie
er sich einst als Mitkampfer dem deutschen Heere in
Schleswiganschloß, konnte ersich auch, obwohl schon im vor-
gerückterem Lebensalter stehend, eine werkthätige Theil-
nahme an dem heutigen großen Kriege mit Frankreich
nicht versagen und fand, nachdem er noch die Freude
erlebt hatte, seinen als Auditor im Felde stehenden Sohn
mit dem eisernen Kreuze geschmückt zu sehen, bei seinen
hülfreichen Bemühimgen um die Pflege verwundeter und
kranker Krieger seinen Tod, einen Tod, wie er ihn sich
selbst wohl am ehesten wünschen mochte.

Diez stand erst im 58. Lebensjahre; er war am
29. Mai 1813 zu Neunstetten bei Krautheim an der
Jaxt als Sohn eines Pfarrers geboren. Seinen ersten
Unterricht als Maler erhielt er bei den beiden Brüdern
 
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