Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

DOI Artikel:
Das Ergebniß der Konkurrenz für das Wiener Schillerdenkmal
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5184#0085

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
82

desten das Gleichgewicht. Bei Nr. 10 ist der Gesammt-
aufbau sehr glücklich, vielleicht der glücklichste von allen;
Nr. 16 bestach wieder durch die trefflich charakterisirte und
fein durchgebildete Schillerfigur, während die Sockel-
figureu, besonders in ihrer Verbindung mit der Architek-
tur Manches zu wünschen übrig ließen. Zur Prämirung
konnte dieser Entwurf nicht mit vorgeschlagen werden, weil
sich der Urheber nicht an die vorgeschriebenen Maaße ge-
bunden und dadurch namentlich iu der Gestalt seines Schiller
einenbedeutendenVorsprungvvrsämmtlichenMitbewerbern
gewonnen hatte. Dem Enlwurfe Nr 10 stand, abgesehen
von der theatralisch bewegten Hauptfigur, besonders die
allzu nahe Berwandtschaft niit dem Berliner Schiller-
denkmal im Wege.

Was nun die drei zur engeren Wahl gekommenen
Projekte betrifft, so sind wir in den Stand gesetzt, den
Lesern vor allem die Schriflstücke mitzutheilen, in welchen
die vier der Jury angehörigen Künstler ihre Vota vor dem
Koniits motivirt haben. Dieselben lauten in der Reihe,
wie sie in der Komitk-Versammlung vorgetragen wurden,
folgendermaßen:

1 und II-

„Die Motive meiner Bevorzugung des Modells Nr. 3
beruhen auf den Anforderungen, welche ich an jedes monu-
mentale Werl ähnlichen Jnhalts wie das Schillerdenkmal
mache. Sie sind folgende:

„Einfachheit des Gedankens, ruhige Stabilität der for-
mellen Erscheinung des Ganzen, welche selbst durch die freien
Bestandtheile (Figuren) möglichst gewahrt wird, so daß der
symmetrische Eindruck nicht unter zu sreier Bewegung der
Gestalten leidet. Einkleidung des Gedankens in Darstellung
abstrakter Begriffe (Allegorien), Vermeidung aller Anhäufung
von Beiwerk. Unterordnung des Letzteren unter die architek-
tonische Grundform. Enthaltung von allem Genrehaften in
Auwendung konkreter Motive (in gegebenem Falle aus den
dramatischen Werken des Dichters). Einzelnen Anforderungen
solcher Art ist in mehreren der eingelaufenen Konkursarbeiten
in anerkcnnenswerther Weise Genüge getham Nach meinem
Dafürhalten genügt ihnen am meisten und allgemeinsten das
Modell Nr. 3, weßhalb ich mich für selbes zur Prämirung
mit dem ersten Preise entschied.

Hochachtungsvollst

Wien tl. Febr. 18>l. Joseph Ritter vo» Führich. "s

„Der oben ausgesprochenen Anstcht und Mei-
nung stimmt mit vollster Ueberzeugung bei, so
auch ganz mit einverstanden

Franz Bauer, "
kk. Professor. >>

III.

„Von dem geehrten Komits zur Errichtung eines Schiller-
denkmales in seiner Plenarsitzung vom 9. d. M. darum an-
gegangen, mein Votum für die unter Nr. 5 u. Nr. l8 kata-
logisirten plastischen Entwürfe zu einem Schillerdenkmal näher
zu begründen, habe ich die Ehre dasselbe in Folgendem zu
moliviren:

Beide Entwürfe finde ich im hohem Grade geistvoll und
vollkommen würdig, zur Ausführnng zu gelangen. Ueber die

Mängel, woran der architektonische Theil dieser beiden Ent-
würfe leidet, hat stch die Jury bereits gutachtlich mit Ein-
stimmigkeit ausgesprochen, und es handelt sich hier lediglich um
den plastischen Theil derselben.

Dem Entwurfe Nr. 5 liegt ein trefflicher Gedanke zn
Grunde, nur vermisse ich hier jene engere geistige Be-
ziehung der vier oberen Figuren zn den vier unteren Gestalten
des Sockels. Nachdem sich eben die Jury bereils einstimmig
dahin ausgesprochen hat, daß die vier oberen Sockelfiguren
des Marquis Posa, des Wallenstein, der Jungfrau von
Orleans und der Maria Stuart sich in zu großer Nähe der
vier unteren, mindestens lebensgroß gedachten allegorischen
Figuren befinden, zu zwergartig erscheinen und durch Kinder-
gestalten als Genien auch Lebensgröße erhalten müßten, so würde
dieser Gedanke zerrissen und ein neuer für den Jnhalt dieser
Genien zu suchen sein. Die Hauptfigur dieses Enlwurfes,
Schiller selbst, finde ich sehr glücklich, weil ste, obgleich
modern gekleidet, in ihren Hauptmaffen fast wie im idealen
Gewande erscheint nnd sich durch ihre Hauptlinien sehr gul
mit der Architektur verbindet, wodurch das Ganze entschieden
monumental wirkt. —

Nr. 18. Der Gedanke, welcher den Gestalten des Sockels
zu Gruude liegt, ist genial zu nennen und spricht uns warm,
lebensfroh und leichtverständlich an, denn der Zusam-
menhang dieser acht Gestalten ist ein inniger. Ebenso glücklich
ist die Formgebung des Ganzen.

Nur auf Grund der höchsten Achtung für ein solches
Werk erlaube ich nür hier mein Bedenken über die das
Maß überschreitende Größe der obern Sockelfiguren wieder-
holt auszusprechen, ein Uebelstand dem sehr leicht abzuhelsen
ist. Die Gestalt Schillers ist für eine mehr realistische Auf-
fassung vielleicht etwas zu jugendlich schön gebalten und dürfte
bei Ausführung im Großen etwas schärfer zu individualisiren
sein, wobei auch die Mängel seines sterbllchen Theiles nicht
ganz verläugnet werden. Sonst zeigt sich in der Zeichnung
und Modellirung auch dieser Gestalt der gereiftere Künstler,
in dessen Meisterhand man eine so große ehrenvolle Aufgabe
wie die des Schillerdenkmales mit vollstem Vertrauen legen
könnte.

Nach reiflicher Ueberlegung bin auch ich zu der Ansicht
gelangt, daß ihm, dem Meister Schilling, der erste Preis
gebührt.

Nr. 3, Entwurf vonWagner, kann ich nicht auf gleiche
Höhe mit den beiden vorhergedachten Entwürfen stellen; denn
sein Vorzug besteht einzig und allein im Dekorativen, in
der glücklichen Uebereinstimmung der Verhältnisse der Archi-
tektur zur Plastik. Den Gedanken zu den Figuren des
Postamentes finde ich nicht bedeutsam genug, ja sogar banal.
Am obern Theile des Postaments sehe ich wohl vier nichts-
sagende Genien mit Kränzen, aber dem Ganzen fehlt der
Genius, welcher die Entwürfe Nr. 18 und Nr. 5 belebt.
Der Statuette Schillers auf diesem Entwurfe vermag ich durch-
aus nichts abzugewinnen. „

Wien 11. Febr. 1871. Ernst Hiihnel. ^

IV.

Begriindung meines Botums zu Gunsten der Modellskizze
Nr. 18.

„Wenn eS schon in hohem Grade mißlich erscheint, in
einem Wettkampfe der Künste unter Leistungcn, die sich durch
nahezu gleiche künstlerische Vorzüge empfehlen, eine als die
vorzüglichere bezeichnen zu sollen, so wird die Begründung
einer solchen Bevorzugung durch Wort oder Schrift deshalb
 
Annotationen