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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Der Heidelberger Kunstverein
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https://doi.org/10.11588/diglit.5184#0117

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gelegenen Saal in einem stattlichen Neubau der erneute»
städtischen Schulen bis jetzt wenigstens mit anerkennens-
werther Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt hat. Doch
sei es erlaubt, zwei dem ersten Gedeihen sehr förderliche
Umstände besonders hervorzuheben. Zunächst kam es
darauf an, durch eine erste kleinere und in kurzer Frist
zu bewerkstelligende Ausstellung eine günstige Meinung
innerhalb des Publikums zu erwecken und das Jnteresse
der Mitglieder für die Dauer zu gewinnen. Nnd dies ist
schon im Herbst des Jahres 1869 geschehen und über
Erwarten gelungen. Was hiesige Künstler und was die
nächste Umgebung, besonders die Schlosser'sche Samm-
lung zu Stift Neuburg an beachtenswerthen Gemälden
der neuen deutschen Kunst in den ersten Decennien
dieses Jahrhunderts darbot, wurde herbeigeschafft; die
städtische Behörde bewilligte die Schaustellung der in
ihrem Besitze befindlichen Kartons von Götzenberger
zn den Wandgemälden in der Trinkhalle zu Baden, in
rheinischen Kirchen, in der Aula zu Bonn und in dem
Bridgewaterhouse des Lord Elmor in England; auch
eine nach der Hauptstadt gerichtete Bitte fand williges
Gehör, wodurch es möglich wurde, einige ausgezeichnete
Werke von Rottmann, E. Fries, Karl Fohr, den
Söhnen Heidelbergs, aus der Großherzoglichen Sammlung
in Karlsruhe hinzuzufügen. Eine treffliche kleine Wieder-
holung von F. Diez' großem, in der Galerie zu Karls-
ruhe befindlichem Bilde: „Die Zerstörung Heidelbergs"
sowie die Studienköpfe dazu mußte gerade in Heidelberg
geeignet erscheinen, allgemeines Jnteresse zu erwecken.
So entstand eine Sammlung von etwa hundert Gemälden,
reichhaltig genug, um für den Anfang die gehegten Er-
wartungen mehr als zu besriedigen. Referent muß
dies wenigstens als seinen persönlichen Eindruck aus-
sprechen.

Das Zweite, was einigen Erfolg gehabt, ist der Ge-
danke einer permanenten Ausstellung. Die Absicht
ging von Anfang an dahin, man solle sich nicht mit den
großen periodischen Ausstellungen begnügen, die von
Jedermann pflichtschuldigst gemustert werden, aber lange
Pausen zwischen sich lassen, sondern es sei wünschenswerth,
das einmal vorhandene Lokal offen zu erhalten, damit
auch dasjenige, was durch Gelegenheit oder persönliche
Verbindung in den Bereich des Bereines kommt, für sich
allein zur Anschauung gebracht werden könne. Solche im
Einzelnen oder in kleiner Zahl vorgeführte Kunstwerke
dienen dazu, die Existenz des Jnstituts häusiger in Erin-
nerung zu bringen, und sie werden leichter genossen, da
sich ihnen das Auge ungetheilt hingeben darf, währendder
Beschauer einer großen Ausstellung stets einiger Geduld
und Ausdauer bedarf, um nach dem ersten verwirrenden
Ueberblick einer langen Bilderreihe zur Sammlung und
zum verweilenden Anschauen zu gelangen. Auch in oieser
Beziehung ist das Glück bis jetzt günstig genug gewesen,

um der permanenten Ausstellung mehreres Bedeutende
zuzuführen. Die „Schöne Melusine" von Schwind hat
an vielen Orten Deutschland die lebhafteste Freude erregt;
auch hier erntete sie großen Beifall, und die Besucher waren
nur darin uneinig, ob der Künstler in den ersten oder in
den letzten Scenen dieses Cyklus glücklicher gewesen sei.
Von Historienbildern verdienen Auszeichnung das „Gast-
mahl" aus dem Wallenstein von Scholz und mehr noch
der „junge Luther" von Lindenschmit, unstreitig ein
Gemälde von poetischer Behandlung des Gegenstandes
und vortrefflicher technischer Ausführung. Von den
größeren Werken unseres gefeierten Landsmannes Anselm
Feuerbach haben wir mehrere, wie namentlich den Tod
Aretin's, Orpheus, Medea, Lesbia, ein Frühlingsbild,
Fischermädchen am Meer, auch flüchtig „das Urtheil des
Paris", dazu eine Reihe Studienköpfe aus den verschiedenen
Entwickelungsphasen desselben längere Zeit vor Augen
gehabt. Unbeanstandet sind diese Gemälde nicht geblieben,
kritische Einwendungen und Bedenken wurden in Menge
herausgefordert, und doch endeten diese Gespräche stets
mit den Zeugnissen der Anerkennung und theilweise der
Bewunderung. Jeder mußte nachdenklich vor ihnen stehen
bleiben, Niemand konnte sich verhehlen, daß er hier ein
Talent vor sich habe, welches, ganz abgesehen von seiner
außerordentlichen Fruchtbarkeit, die gewohnten Wege kühn
überschreitet und einen lange verschlossenen Anschauungs-
kreis auf's Neue zu eröffnen wagt. Vieles Andere muß
hier unerwähnt bleiben, denn im Ganzen sind bis jetzt
nicht weniger als 204 Gemälde, unter ihnen einige der
alten Schulen, über die ein eingehender Bericht wohl an-
gezeigt erscheint, nicht gerechnet zahlreiche werthvolle
Photographien, den Besuchern der permanenten Aus-
stellung vorgeführt worden.

Die periodische Ausstellung des Rheinischen Vereins
war mit 184 Kunstwerken beschickt, in Heidelberg waren
16 zum Eintritt in den Turnus eingetroffen, als der
Ausbruch des Krieges, der diese Gegenden in unmittel-
barste Gefahr brachte, den weiteren Gang unterbrach.
Die Bilder mußten vorläufig bleiben, wo sie sich im ent-
scheidenden Augenblick befanden; die für die erste hiesige
periodische Ausstellung bewilligte größere Lokalität
wurde von der Verwaltung für Krankenpflege in Beschlag
genommen. Auch würde es uns Allen an Muße und an
Sinn für einen Genuß dieser Art gefehlt haben; mit der
Wissenschaft räumte die Kunst für einige Monate das
Feld. Erst zu Anfang November konnte an einigen Ersatz
für das Verlorene gedacht werden; und wirklich wurde
es durchgesetzt, den größeren Theil der für den Turnus
bestimmten Bilder in dem gewöhnlichen Lokal zur Aus-
stellung zu bringen. Es war eine Sammlung, die sich
meist in den Grenzen der gegenwärtig vorherrschenden
Malerei bewegte, nicht reich an hervorragenden Werken,
aber ergiebig auf landschaftlichem Gebiet, denn in dieser
 
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