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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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139

KorresPondenzm.

Rom, den 19. Mai 1871.

Vielleicht ist es Jhnen nicht unlieb, einen kurzen Be-
richt über die gegenwärtige Ausstellung an der kinirrn,
llbl xopolo zu erhalten, um so mehr, als auch deutsche
Künstler sich lebhaft daran betheiligt haben. Bei der
Prüfnng der ausgestellten Werke drängt sich vor allem die
Wahrnehmung auf, daß weit die besten Leistungen, sowohl
der Skulptur wie der Malerei, dem Porträtfache ange-
hören, während andererseits historische Darstellungen fast
ganz fehlen. Es scheint uns diese immer mehr durch-
dringende Pflege des Porträts ganz zeitgemäß zu sein;
sowie das Seelenstudium in unscrn Tagen zu einer nie
vorher gekannten Ausbildung und Bedeutung gelangt ist,
so bildet das Porträt die sicherste Basis zu einem neuen,
monumentalen Stil in Plastik und Malerei, den wir von
der nächstcn Zukunft zu erhoffen uns nicht vcrsagen können.

Die Werke der drei Porträtmaler Lenbach, Healy
und De Sanctis ragen vor allen anderen hervor. Die
Vortrefflichkeit der Bilder Lenbach's ist in Deutschland
wohl genugsam bekannt; um so mehr erfreut es uns,
wenn auch in Jtalien die bedeutenden deutschen Meister
recht emsig auftreten und den Jtalienern zeigen, daß die
deutschen Barbaren auch noch in anderen Dingen als den
Waffen sich auszuzeichnen wissen.

Lenbach führt uns hicr das Porträt des Bildhauers
Kopf (vom Jahre 1867) in schlagender Aehnlichkeit vor.
Zeichnung, Kolorit und Ausdruck sind Eins; wir ha-
ben hier das uninittelbarste Leben und doch eine fein ab-
gemessene Darstellnngsweise. Gleichwohl soll das Bild
nicht zu Lenbach's bedeutendsten Werken gehören; was
uns einzig daran auffiel, ist der etwas anspruchslose, blasse
Ton, der trotz aller Lebendigkeit des Fleisches darin vor-
herrscht.

Von einer bezaubernden Liebenswürdigkeit, verbun-
den mit hohem Adel des Gefühls und der Formen, ist so-
dann das Porträt einer jungen, vornehmcn Römerin von
De Sanctis. Welch'weicher farbiger Duft ist über das
jugendschöne, fein beseelte Antlitz ausgebreitet! Mit
großem Gefühl sind in dem veilchenfarbenen Seidenkleid
die naiv-nobeln Körperformen ausgeprägt.—Von mehre-
ren andern Porträts desselben Künstlers tritt noch der
Kopf ciner Dame mittleren Alters durch feine, psycho-
logische Zeichnuug, sowie durch Plastik hervor.

Endlich sind die Porträts des Amerikaners Healy
ohne Ausnahme durch milde Uebergänge der Farben, so-
wie durch ein saftiges, lebendiges Kolorit ausgezeichnet.
Jn der Köinposition der Figuren und der Gruppen ist er
dagegen äußerst nachlässig und geschmacklos. Sein bestes
hier ausgestelltes Werk ist das Porträt Lißt's am Klavier.
Aus der Gruppe, in welcher der amerikanische Dichter
Longfellow mit einem Mädchen dargestellt ist, müßte man
die Köpfe herausschneiden, um zu ihrem rechten Genusse

zu gelangen. — Geradezu geschmacklos in der Köniposition
ist aber ein drittes Bild, wo eine junge Mutter ihr Kind
liebkost. Die bäßlichste Linie zieht sich vom dicken Kopf
dcrselben über den hölzern gebogenen Arm anf die Krino-
line hinab. Das Kölorit ist aber ungemein harmonisch,
mild und wahr; wenn uns auch die bläulich-karmoisinrothe
Gesichtsfarbe der Mutter nicht gefällt, so stimmt an und
für sich diese Farbe doch zu den übrigen Tönen.

Unter den sonstigen Bildern besitzt die Jphigenia des
Prof. Riedel gewiß einen sehr hohen Werth, wenn sie
auch iu einem theatralisch-konventionellenStile gehalten ist,
der wenig dem heutigen Geschmacke entspricht. Eine jung-
fräuliche Figur mit Schleier und Diadem, in dun-
kelrothem, idealem Gewand und gelblichgrünem Ueberwurf
ist von einem Dreifußfeuer rosig beleuchtet. Jhr Antlitz
zeigt wenig lebensfähige Ausbildung, uni so prächtiger
leuchtende Farbeneffekte hat der Künstler in das vom Licht
getroffene Gewand zu verlegen gewußt. — Es ist wahr,
es giebt eine Farbenschönheit und eine Linienschönheit,
ganz unabhängig vom menschlichen oder überhaupt von
irgend einem einzelnen Körper der Natur; die Teppich-
stickerei einerseits, die Ornamentik andererseits sind dafür
cin Beweis. Aber dennoch haberi diese Künste ihre
Gesetze der Natur ablauschen müssen, und diese bleibt
immer ihre reichste Fundgrube der Verjüngung und Be-
reicherung. Wenn nun aber einmal Menschen dar-
gestellt werden sollen, so muß unseres Erachtens ihrer
natürlichen Harmonie in Farben und Linien so weit
Rechnung getragen werden, als es nicht etwa architekto-
nische Rücksichten verbieten. So werden z. B. Fresken-
bilder, die cine Decke schmücken sollen, in Farben und
Linien konventioneller behandelt werden müssen, als
ein Porträt oder eiu Rahmeubild, weil sie niit der Archi-
tektnr in engeren Zusammenhang tretcn sollen, und deren
Wirkung nicht stören, sondern nur einen Theil derselben
bilden dürfen. Wenn uns aber in Gemälden, die mit der
Architektnr gar nicht oder nnr losezusainmenhängen, über-
all vom architektonischen Stil losgelöste konventionelle
Prinzipien der Farben- und Formbehandlung uninotivir-
ter Weise entgegentreten, während wir doch vor allem
eine Darstellung aus dem Leben darin suchen (das ja
auch in seinerNaturwahrheit schöneFarbenundLinien
besitzt), so wird dadurch die Einheit des Kunstwerks ge-
stört und dessen Wirkung geschwächt. Damit ist aller-
dings nicht gesagt, als ob nicht auch im selbständigsten
Gemälde auf den Rahmen Rücksicht genormnen werden
müßte.

Das Bild von Barolli aus Parma, das uns ein
junges Mädchen zeigt, wie es ihr jüngstes Schwesterchen
küßt, ist ein neuer Beweis dafür, wie sehr ein warmes,
gesundes Gefühl dem Künstler zur Verschönerung der
Zeichnung hilft und gleichsam seine Hand führt. Der
Kopf des Kindes ist von großer, schöner Lebenswahrheit,
 
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