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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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166 —

mers letzte Rose" von Boughton, eine weibliche Gestalt
in einem Garten, unter zerstreuten, abgefallenen Rosen-
blättern, die jedoch unverhaltnißmäßig groß ausgefallen
sind, trägt neben dem fleißigen, ernsten Streben des Künst-
lers auch alle seine Mängel zur Schau. Die Gestalt ist
steif in der Zeichnung, mit schwarzen Umrissen, und kalt
und hart in der Farbe. Dem Kops mangelt es nicht an
Ausdruck, und bei allen Fehlern bringt das Bild den
melancholischen Eindruck hervor, der bezweckt wurde. Zu
den crgötzlichsten Leistungen gehören zwei Bilder — man
möchte sie Genre-Thierstiicke nennen — von den Brüdern
Beard. Auf dem einen, von Iames H. Beard, „ein
Blick auf die wachsende Gefahr", sieht man drei ganz
junge Dachshunde, welche ruhig zusammen auf einem
Kissen schlafen. Vier Ratten haben sich um sie versam-
melt und betrachten in verschiedenen Stellungen mit hvch-
ster Neugier die künftig so gefährlichen, einstweilen noch
so harmlosen Feinde. Die Ausführung ist sorgsam und
der Ausdruck in der Hältung und den Gesichtern der
Thiere ergötzlich wahr und charakteristisch. Es sind weder
altkluge Fabelthiere, so zu sagen verkleidete Menscheu,
noch bloß allgemeine Typen, sondern individuelle Thiere,
wie nur vertraute Bekanntschaft sie schaffen konnte. Das
andere, von William H. Beard, stellt Eichhörnchen und
Kanarienvögel vor, die ein Gelage an den Resten eines
Frühstücks von Wein und Früchten halten. Ein Eich-
hörnchen liegt in seliger Weinlaune auf dem Tischtuch
ausgestreckt, während das andere noch tiefe Züge aus
einem Glase thut. Die Kanarienvögel thun sich ebenfalls
in Wein und Trauben gütlich; auch dies Bild athmet
frischen Humor und ist fleißig ausgeführt. Ein italienischer
Junge von Butler und einige kleinere Bilder von Meeks,
Perrh und Wood sind außerdem zu nennen.

Auch sindet man 'eine Anzahl guter, lebensvoller
Porträts, unter denen vorzüglich eins von Sellstedt,
Präsident der Academy of Design in Buffalo, des
Künstlers eigenes Bild. Auch von Huntingdon,
Baker, Hieks und Lawrie sind ansprechende Porträts
da. Natürlich sind auch, wie gewöhnlich, die Spielzeughand-
lungen vertreten in Gestalt grünspangrüner Bilderbogen
und steifer Holzpuppen, wie auch die Schneider- und
Friseurgeschäfte ihre Beiträge an Modebildern geliefert
haben; indessen läßt sich bei alledem nicht leugnen, daß
die diesjährige Ausstellung sich vortheilhaft vor denen
der letztev Jahre auszeichnet.

Kunstlitkratm' und Kunsthandcl.

Münchener Künstlertiilder. Ein Beitrag zur Ge-
schichte der Münchener Kunstschule in Biographien
und Charakteristiken von Carl Albert Regnet.
Zwei Bände 8. Leipzig, T- O. Weigel 1871.

* Fünfzig alphabetisch geordnete Künstlerbiographien
und Charakteristiken von hervorragenden Meistern der
Münchener Schule des neunzehnten Jährhunderts, aus

unmittelbarsterAnschauung undautobiographischenNotizen
geschöpft und in schlichter, gefälliger Form vorgetragen.
Etwas Aehnliches hatte für die Zeit der vierziger Jahre
Soeltl in seinem Buch über die bildende Kunst in Mün-
chen versucht; aber er ordnete den Stoff nach Kunstgattun-
gen und behielt daher für das eigentlich Biographische
wenig Raum. Dieses tritt nun bei Regnet in denVorder-
grund; jedes Künstlerleben wird in ausführlicher, abge-
rundeter Darstellung für sich behandelt und die Hauptwerke
der Meister finden sich in thunlichsler Vollständigkeit der
Erzählung eingeflochten. Allerdings hat sich der Autor
durch die eingehende Behandlung jedes Einzelnen in der
Zahl der Ausgewählten sehr beschränkt gesehen, und das
ist der wunde Punkt scines sonst so verdienstlichen Buches,
an den gerade die Künstlerschaft selbst bei aller schuldigen
Anerkennung vielleicht bisweilen rühren wird. Wie kommt
es, wird man fragen, daß z. B. Arthur von Ramberg
und Lenbach fehlen, während Muhr, Scherer und
andere weit minder Bekannte und Hervorragende berück-
sichtigt worden sind? Wenn Thäter behandelt wird,
sollte Amsler nicht vermißt werden, meinen wir; und
neben Klenze hätte wohl auch Gärtner, neben Zum-
busch auch Brugger einen Platz verdient, anderer eben-
falls merklicher Lücken, wie z. B. der beiden Heß, gar
nicht zu gedenken.

Abgesehen von dieser Beschränkung in der Wahl,
die wohl auch in buchhändlerischen Rücksichten ihren Grund
haben mag und jedenfalls leicht dnrch einen Supplement-
band beseitigt werden könnte, wäre aber nur jeder bedeu-
tenderen Kunststadt Deutschlands ein so liebevoll ein-
gehender, gerechter und geschmackvoller Biograph zu
wünscken, wie ihn München in Regnet gefunden hat. Er
übt selbstverständlich nicht in erster Linie das Amt des
Kritikers; allein eben durch die maaßvolle Zurückhaltung
seines Urtheils arbeitet er der objektiven kunstgeschichtlichen
Würdigung vor, die unserer Epoche nicht fehlen wird.
So behält die Schrift, als das ehrliche Zeugniß eines
Nächststehenden, auch für die Zukunft ihren Werth. Vor
Allem aber möge sie den zahlreichen Kunstfreunden der
Gegenwart empfohlen sein, welche an der Entwickelungs-
geschichte der Stadt Ludwig's I. ein lebendiges Jnteresse
nehwen oder ihren Museen und Ateliers auch nur einen
flüchtigen Reisebesuch schenken. Beim Vorstudium und
als Vademecum wird sie treffliche Dienste leisten.

Von Einzelnem, das uns bei der Lektüre störend
auffiel, nur Folgendes: in der hübschen Biographie Eugen
Neureuther's vermissen wir diegeistreicheKomposition,
in welcher der Meister (in ähnlicher Weise, wie kürzlich
Menzel auf einem berühmten Blatte) die modernen
Mächte der Jndustrie und des Maschinenwesens poetisch
verherrlichte, das Bild der Fabrik von Cramer-Klett in
Nürnberg, welches 1858 auf der großen Münchener Aus-
stellung bewundert wurde; dagegen sind zwei Bilder der
Galerie Schack, „die Nonne" und „Scene aus Oberon",
wenn wir nicht irren,- auf S. 70 und 71 gleich hinter
einander doppelt erwähnt. Die Arthaber'sche Galerie in
Wien und mit ihr „die Hochzeit im Gebirge" vom sogen.
Feuermüller (S. 60), wurde bekanntlich 1868 ver-
steigert. An Ort und Stelle blieben dagegen die von
Regnet nicht erwähnten schönen Fresken, welche Schwind
für das Treppenhaus der Arthaber'schen Villa in Döbling
ausführte. Ihrer wurde erst neulich in diesen Blättern
gedacht und auch bemerkt, daß nicht Thäter selbst, son-
 
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