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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Der künstlerische Theil der Berliner Siegesfeier, [2]: 16. Juni 1871
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171

Festzier. und es würde ein beneidenswerthes Quantum
von Muth und Blick dazu gehören, aus ihrem Anblick
auf die Zeit richtig zu schließen, die zu ihrer Vollendung
gegeben war, nämlich vom Auftrage bis zur fertigen Auf-
stellung an Ort und Stelle etwa drei Wochen.

Dem ersten Bilde dient als Motto: „Mein Bolk
wird auch in diesem Kampfe zu mir stehen, wie es zu
meinem in Gott ruhenden Vater gestanden hat." Die
Aufgabe ist Otto Knille zugefallen. Germania mit
zornflammendem Blick ruft am Altare des Vaterlandes
stehend zum Kampf wider den frechen Friedensbrecher,
mit gezücktem Schwert den Weg weisend, den die be-
geisterte Schaar von Vertretern aller Gaue ihr zu folgen
sich drängt. Es weht ein wunderbarer Hauch der Ent-
rüstung und der Kampfesfreude durch diese Darstellung;
namentlich die Germania gemahnt an den Ton der
Schiller'schen Iungfrau von Orleans. Die Farbenscala
bewegt sich in gedämpften Tönen von feiner Harmonie.
Es liegt die brütende Schwüle banger Ahnung in der
Zeit vor Beginn des entscheidenden Ringens über dem
Bilde; kurz, man muß sagen, es giebt in vollkommener
Deutlichkeit Sinn und Stimmung des Momentes tief
und wirkungsvoll wieder.

Die Vereinigung des ganzen deutschen Volkes, die
lange geträumte und ersehnte Ueberbrückung des Mains
war wohl hervorragend genug, um das Motiv zu einem
besonderen Gemälde in dieser Reihe zu geben: „Ganz
Deutschland steht einig zusammen wie nie zuvor", sagte
der König, und dies beglückende Wunder sollte Johannes
Schaller versinnlichen. Nach dem, was kürzlich an
dieser Stelle über den Künstler geäußert werden mußte,
kann der Name in dieser Verbindung Furcht erwecken.
Jndessen die Gerechtigkeit verlangt das Eingeständniß,
daß der Künstler über Erwarten geleistet. Er hat realiter
die Ueberbrückung des trennenden Flusses dargestellt und
die Brüder von Nord und Süd zu freudiger Umarmung
über denselben einander entgegenschreitend. Die feine
Charakteristik, die gerade bei allgemeinen Typen noth-
wendig ist, um sie mit Leben zu erfüllen, hat indessen
über seiner Sphäre gelegen, und elne gewisse Ver-
schwommenheit verhindert die Eutfaltung der nöthigen
Kraft; dem entsprechend ist auch das Kolorit nebelig,
trübe ausgefallen. Der Künstler ist aber bemüht gewesen,
seiner Aufgabe gerecht zu werden, und hat das in einem
Maße vermocht, das ihm an anderer Stelle schon zur
Ehre gereichen würde. Aber die Berliner Künstlerschaft
hatte bei dem nationalen Ehrentage des Jahres 1871
einen so hohen Aufschwung genommen, daß es ein merk-
liches Sinken des Niveaus bezeichnete, ohne indessen die
Stimmung aufzuheben und die Totalwirkung durch einen
entschiedenen Mißton zu zerstören.

Und nach dieser leichten Baisse trat wieder bis
zum Ende die absolute, glänzende Vollendung hervor.

„Gott der Herr wird mit unserer gerechten Sache sein",
damit war der Kriegsfürst der Deutschen hinaus-
gezogen; das Wort gibt den Grundton zu der
Schilderung von Kampf und Sieg an, die Anton von
Werner, unzweifelhaft jetzt schon einer uuserer geist-
vollsten und bedeutendsten Künstler von außerordentlicher
Macht der Mittel, übernommen hatte. Abermals — mehr
oder weniger ausgesprochen — eine Monumentalisirung
der Schlacht von Sedan, abermals ein Treffer mitten
in's Schwarze, ungeachtet aller Schwierigkeiten. Es ist
schwer von demBilde eine ungefähre Borstellung zu geben.
Ueber den Gegner mit Sturm zur Tagesordnung über-
gehen, ganz souveränes, absolutes Siegen kann uicht
sprechender dargestellt werden. Dabei hat das Bild etwas
Dämonisches, es gemahnt wie der Sieg des Ormuzd über
Ahriman; Wahrheit fällt den Trug, gediegene Größe den
Flitter und das Scheinwesen. Links im Hintergrunde
erkennt man das Toben des heißen Streites an dem
Flammenmeer, dessen Widerschein den Himmel röthet.
Zwei Adler kämpfen in der unheimlich erhellten Luft, und
mit zerzaustem Gefieder sinkt der eine hinab. Den Vorder-
grund nimmt an dieser Seite eine einfache Kampfscene,
Sieg deutscher Söhne über Turkos und Konsorten, ein.
Den Haupttheil der Mitte füllen auf großen Streitwagen
die waltenden Mächte des heiligen Krieges. Vorn zieht
der siegreiche Feldherr an der Spitze der Seinen daher,
über eine zu Boden geworfene Gestalt hinweg. Einem
schlechten Schauspieler ähnlich, im blutrothen Mantel, den
goldenen Lorbeerkranz zerrissen um die wirren Schläfe
schlotternd, liegt halb vom Dunkel eingehüllt der zusam-
mengekauerteCäsar überwunden, nicht mehr beachtet unter
— hinter ihm. Es ist eine tief ergreifende, erschütternd
großartige Darstellung, tresfend in jedem Zug, gehalten
in der titanischesten Wildheit, edel selbst wo mit den
glühendsten Farben des Hasses und der Verachtung
gemalt wird. Koloristisch ist das Bild ungemein bedeu-
tend. Vom hellsten Licht bis zum tiefsten Dunkel wech-
seln die Partien mit einander, jede Nuance an ihrer
Stelle von packender Wirkung, alles voll Kraft, das
Ganze in gewaltiger Harmonie.

Manche Künstler waren geneigt, dem Werner den
ersten Preis unter den Malern, die an der Ausschmückung
der Viu triumxlmlis beschäftigt waren, zuzuerkennen,
und in gewissem Betracht wird man kaum in Versuchung
kommen, ihnen zu widersprechen. Aber ich möchte das Bild
nicht an letzter Stelle, als Schlußstein des Ganzen ge-
sehen haben, ich hätte gern das Wort darunter gelesen:
„im Kriege selber ist das Letzte nicht der Krieg". Wenig-
stens war das die Stimmung, die sich aus dem Bilde
heraus des Beschauers bemächtigte. Die gewaltige Har-
monie war ein Dissouanzakkord, der zur Auflösung drängte.
Diese künstlerische Versöhnung zu bringen, die Schärfen
aufzuheben und doch den Effekt zu bewahren und bis zum
 
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