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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Meyer, Bruno: Der künstlerische Theil der Berliner Siegesfeier, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5184#0190

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187

uns die Jlluminationen, wie in Paris an den weiland
Napoleonstagen und sonst, zu offiziell arrangirten und
bezahlten, centralisirten und in's Fabelhafte pompös ent-
wickelten Schausiellungen „zum Vergnügen der Eiu-
wohner" werden; trotzdem läßt sich nicht leugneu, daß der
gute Wille der gut bürgerlicheu zwei, vier, sechs, acht, auch
selbst je nach Vermögen mehr Lichter an jedem Fenster
durch die ganze Stadt hin etwas bodenlvs Langweiliges
hat, dem durch einige Blumen, Büsten oder sonstige
„Gypse" die einschläfernde Kraft nicht benommen werden
kann. Wenn daher die allgemeine Begeisterung in dieser
Weise ihr Licht leuchten läßt, so darf das doch nur als
Folie des Ganzen und als Maßstab für die Berbreitung
uud den Schwung der begeisterten Stimmung angesehen
werden. Von diesem Grundc aber müssen sich die Zu-
richtungeu derjenigen abheben, die nach dem Grundsatz
„noblssse obliKe" die Verpflichtung haben, sich an all-
gemeinen Opfern und anderen Bethätigungen in hervor-
ragender Weise zu betheiligen.

Das ist nun freilich auch derFall. Die Masse dieser
nothgedrungen sich Auszeichnenden ist aber bereits — zu-
mal in den Hauptstraßen der Stadt — so groß, daß nur
eine gewisse Uniformität in ihre auszeichnenden Arran-
gements zu kommen braucht, um sie eben so langweilig,
bloß aufdringlicher wirken zu machen, als die schlicht bür-
gerlichen Lichter. Diese Uniformität ist aber leider erreicht:
durch die Gassterne u. dgl. Da geht man denn Straßen
weit und sieht vor jedem größeren Ladengeschäft, an jedem
Hause einer distinguirten Herrschast u. s. w., kurz schließ-
lich fast Haus bei Haus in den unteren Stockwerken dort
den achtspitzigen Stern, den neulich Schäffer und Walcker
zu dem und dem Preise angeboten haben, dort die Strah-
lensonne, die Granger und Hyan für so und so viel lie-
fern, dort den Gardestern oder das Johanniterkreuz, das
Schäffer und Hauschner den Bedürftigen um verhältniß-
mäßig geringes Geld empfohlen haben; und so geht
das fort.

Nun ist dieses Gas aber ein ganz nichtswürdiges
Jlluminationsmaterial. Die blendende Weiße seines strah-
lenden Lichtes ist für den Abend dasselbe, was die plasti-
schen Gespenster für den Tag: sie thut den Augen weh
und hebt alle trauliche Freudigkeit reichlich versandten
bunten Lampen- und selbst gelblichen Kerzenlichtes auf.
Jn den magischen Dämmerschein einer erhellten Nacht
mischt sich eine zudringliche reizlose Tageshelle, und —
zum Teufel ist der Zauber und die Stimmung. Dann
spielt jeder Luftzug, jeder Windhauch mit den schutzlosen
Flämmchen, und löscht die künstlichen Figuren ganz oder
theilweise aus.

Die geometrischen Figuren in Gas mögen indessen
noch angehen, allenfalls auch die heraldischen Adler. Doch
welche Schrecken gehen über in Gaslicht gezeichnele mensch-
liche Gestalten und ganze Bilder?! Germania auf der

Wacht am Rhein brannte überall lichterloh! Es ist un-
gefähr, wie wenn man ein Gerippe auf der Bühne tanzen
ließe. Und doch, wenn man nur denkt und Erfindungs-
gabe hat, giebt es immer wenigstens noch Aushülfen.
Auch Kladderavatsch ließ an seinem Palais sein joviales
Antlitz in Gaslinien erstrahlen, weiter herab brannten
Schultze und Müller in ihrer bekannten Feldausrüstung
und unterhielten sich in Flammenschrift. Das sah gar
nicht übel aus. Warum? Man hatte unmittelbar hinter
den Gasröhren die Figuren auf Holz gemalt aufgestellt,
und so wirkten, ohne daß man des Mittels gewahr wurde,
auch die Flächen zwischen den Röhren mit, ja das Ganze
bekam einen merklichen und sehr wohlthuenden Anstrich
von Farbigkeit.

Am besten eignet sich das Gas noch zur Erleuchtung
ganzer Fayaden, wo dann die architektonischen Haupt-
linien mit den Gasröhren nachgezogen werden. Aber der
Efsekt dieser Jllumination hat eine wesentliche Voraus-
setzung: vortressliche Verhältnisse und wirksame Massen-
gruppirung des Baues. Deshalb wirkte das Zeughaus
wahrhaft imposant. Kläglich aber sah das Rathhaus aus,
dessen Jlluminationsapparat hier zum ersten Male probirt
wurde. Die schlechten Berhältnisse waren nun in's Licht
gesetzt, und der Mangel an energischen Gliederungen,
namentlich an kräftig ausladenden Fensterumrahmungen
machte sich so beleidigend geltend, daß von der ersten zur
zweiten Jllumination das im Bau Versehene im Beleuch-
tungsapparat nachgeholt wurde: um die Gasröhren wurde
noch eineReihe vonFlammen in rothenLampions herum-
geführt, die nun leidlich den Mangel gegliederter, durch
Licht und Schatten wirkender Baumassen verdeckten.

Es braucht an dieser Stelle nicht darauf aufmerksam
gemacht zu werden, daß gewisse Holzschnittabbildungen
des illuminirten Rathhauses, in denen durch sparsames
Umgehen mit der Druckerschwärze ein feenhafter Glanz
billig herzustellen, das Wesentliche aber an der Sache
selbst nicht wiederzugeben ist, von dem Anblick keine rich-
tige Vorstellung erwecken können.

Zauberisch wirkte in der Entfernung die Erleuchtung
des Thurmes mit konstantem bengalischeu Licht; es kann
wohl für hochgelegene, weithin sichtbare Punkte kein
schöneres Erleuchtungsmittel geben. Auch anderwärts
mischte es sich mit bestem Erfolge in das Lichtmeer, so
namentlich bei der phantastisch poetischen Jllumination
von Borsig's Maschinenbauanstalt, die zu den bevorzug-
testen Glanzpunkten in Berlin gehörte.

Ein treffliches, ja eigentlich unübertreffliches Jllu-
minationsrequisit sind ferner die Transparentbilder, deren
sich viele, große und zum Theil wirklich schöne vorfanden,
so namentlich das Tableau am Kriegsministerium, von
Ludwig Burger entworfen, ein wahres Prachtstück, wie
es von diesem geistvollen Jllustrator nur irgend erwartet
werden konnte. Das räumlich großartigste dieser Art
 
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