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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 6.1871

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Die Kunst beim Siegeseinzuge der bayerischen Truppen in München
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stolzen Räumen des königlichen Odeons hatten eine mehr
als blos vorübergehende Bedentung. Der aufmerksame
Beobachter konnte ihren Einfluß auf die weitesten Kreise
selbst nach Jahren noch verfolgen.

Seit Jahren hat sich die Stellnng der Künstler zum
öffentlichen Leben geändert. Es lag dies in dem An-
wachsen dcr Stadt, in dcm Umstande, daß der Schwer-
punkt des Dichtens und Trachtens sich mehr und mehr
der Politik zuwandte, nicht weniger aber darin, daß die
materiellen Jnteressen sich merklich geltender machten, als
dieß früher der Fall gewesen. Das Lebeu in Müuchen
ward großstädtischer, aber allerdings auf Kosten der
ideellen Richtung. Das mußten die Künstler zuuächst
fühlen, uud sie standen deshalb schon vor Jahren in ge-
rechter Würdigung der Verhältnisse vou Manifestationen
ab, die nicht mehr zeitgemäß waren.

Das aber kann nicht ausschließen, daß man sie viel-
fach in Mitleidenschaft zieht, wo es gilt, das ideale Element,
wenn auch nur vorübergehend, auf den Throu zu erheben.
So war der große unübertreffliche Festzug zum Jubiläum
der Stadt im Jahre 1858 nicht blos ohue ihre Mitwirkung
unmöglich, sondern geradezu ihr Werk, wie denn bekannt-
lich der zu früh heimgegangene Feodor Dietz den Ge-
danken zuerst anregte. Es war somit nichts natürlicher,
als daß das Komitä, dem die Anordnungen für den
Siegeseinzug unserer tapferen Truppen nach ihrer Rück-
kehr aus Frankreich oblag, die Kunstgenossenschaft um
Beirath und Mitwirkung ersuchte.

Der talentvolle Prvfessor Emil Lange war es, der
den Plan für die Dekoration der Viu trinmplrulis lLud-
wigsstraße) entwarf und damit einen neuen Beweis seines
feinen Geschmackes lieferte. Die Bauten auf dem
Universitätsplatze, bestehend aus vierTribünen, von denen
je zwei durch Arkadenwände im Rundbogenstyl des Uni-
versitätsgebäudes verbunden und durch ebenso viele
Tableaux geschmückt waren, übertrafen Alles, was bei
ähnlichen Gelegenheiten hier früher geleistet worden, an
Großartigkeit ünd zugleich Heiterkeit des Eindruckes.
Die vier Tableaux : die „Mäßigung" von Prof. v. Ra m-
berg, die „Weisheit" vonProf. Thiersch, die„Stärke"
von Schwoiser und die „Gerechtigkeit", gemalt von
Lindenschmit, verriethen weder in Komposition noch
Ausführung ihre vorübergehende Bestimmung. Nur
Eines war zu beklagen, daß man die Schwierigkeit, die
aus zerbrechlichem Gyps hergestellten Kolossalbüsten des
deutschen Kaisers und des deutschen Kronprinzen, zwei
treffliche Arbeiten Bierling's und Ungerer's, auf
hohe Sockel zn bringen, nicht rechtzeitig ins Auge gefaßt
hatte, und in Folge dessen gezwungen war, dieselben auf
den Boden, oder was nicht viel besser war, auf niedere,
mit Pflanzen markirte Untersätze zu stellen. An den
Tribünen waren verschiedene kleinere Gemälde angebracht,
die wie die großen Medaillons an den Flaggenbäumen

auf dem Odeonsplatze von Schülern Piloty's herrühr-
ten. Diese Medaillons verkörperten theils in allegorischen
Figuren, theils in Emblemen die Begriffe: Friede, Jagd,
Wissenschaft, Ackerbau, Handel, Kunst und Jndustrie in
allgemein verständlicher Weise und erfüllten so ihren
Zweck ohne Frage ganz gut. Die Feldherrenhalle endlich
war zu einer Ovation für den König bestimmt und durch
den Bildhauer Adolf Guggenberger in einen Tempel-
hain umgewandelt worden. Jn dessen Mitte erhob sich
über der großen Freitreppe ein im Styl der Halle gehal-
tener tempelartiger Bau, in welchem die von Professor
Zumbusch modcllirteKolossalbüste desKönigsaufgestellt
war. Unter der Büste sah man ebenfalls von Zumbusch
modellirte Medaillons nnt den Kolossalköpfen der beiden
Feldherren von der Tann und von Hartmann, in Relief,
zu beiden Seiten der Königsbüste aber zwei zwölf Fuß
hohe stehende Viktorien von Adolf Guggenberger.
Der Gesammteindruck, den dieses Arrangement auf den
Beschauer machte, war unleugbar ein sehr günstiger, so
gerechte Bedenken auch Einzelne gegen den Tempel im
Jnnern einer gedeckten Halle erheben mochten. Hinter
den beiden Erzbildern Tilly's nnd Wrede's erhoben
sich reiche Trophäen aus dem letzten Kriege im Blumen-
und Flaggenschmucke.

Auf dem Hofgartenthore Klenze's hatle jene in
Zink gegossene nnd mit einem stark röthlichen Bronzetone
versehene Victoria ihren Platz gefunden, welche Prof.
Widnmann für den Mittelbau des Maximilianeums in
kolossalen Verhältnissen modellirt hat, welche aber immer
noch auf die Vollendung des Maximilianeums wartet.
Es wurde in der Presse vielfach der Wunsch ausgesprochen,
diese Statue möge auf ihrem provisorischem Standplatze
gelassen werden; man ist aber maßaebenden Orts nicht
darauf eingegangen und zwar mit Recht, denn die Masse
drückte allzusehr auf den niederen Bau. Was dieVictoria
selbst anlangt, so ist sie in vorschreitender Bewegung und
im Begriffe, den Lorbeerkranz zn überreichen, dargestellt.
Wie sich das mit dem Zwecke des Maximilianeums in
Einklang bringen läßt, bleibt schwierig zu errathen.
Ilebrigens zählt die Statue zu den besseren Leistungen
des KünstlerS.

Wahrhaft bezaubernd war der Anblick der Fayade
des Palais des Prinzen Luitpold gegen den Odeonsplatz.
Reiche Waffen- und Fahnengruppen unterbrachen die
lange Linie des Dachgesimses, und in den Fensterpfeilern
hoben sich Laub- und Blumengcwinde an goldenen Schlei-
fen von purpurnem Grunde ab. Das Ganze war so
vollkomrnen im Sinne des Erbauers des Palais, Leo
v. Klenze gedacht, daß er gewiß seine Freude daran ge-
habt hätte.

Allerorten zeigte sich die ordnende Hand der Künstler.
Ein eigenthümlich schönes Ensemble aber hatte der treff-
liche Seder, artistischer Leiter des Kunstgewerbe-Vereins
 
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