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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Rückblick auf die Kunstausstellungen in Kopenhagen im Sommer 1888
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Rückblick auf die KunstausstellunIen in Kopenhagen im Sommer 1888.

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heiten, daß ein Maler oder Bildhauer noch bis ins
hohe Alter seine volle Produktionskraft bewahrt;
doch glaube ich kaum, daß die Geschichte der bildenden
Künste bisher ein Beispiel hat aufweisen können, daß
die eigentliche Kulminationskraft eines Meisters erst
dann eintritt, wenn er sich den letzten Lebensjahren
nähert. Mit dem Landschaftsmaler Kyhn ist dies
entschieden der Fall; durch eine lange Reihe von
Jahren stand er schon als einer der vorzüglichsten
seines Faches, als ein höchst origineller und genialer
Jnterpret der Natur da, der freilich oftmals auch
rauh und bizarr erschien, nur ausnahmsweise recht
populär wurde. Jn den allerletzten Jahren hat seine
Produktion einen ganz merkwürdigen Aufschwnng
genommen: alle seine großen Vorzüge, die ausge-
prägte Eigenart und Frische der Naturanschauung,
die Großartigkeit der Linienführung, die meisterhafte
Handhabung der Pläne, sind in noch ausgesprochenerer
Weise in seinen Arbeiten wahrzunehmen, und gleich-
zeitig ist das Schroffe und Eckige, welches bisher den
vollen Genuß seiner Leistungen einigermaßen beein-
trächtigen konnte, aus seiner Kunst gänzlich ver-
schwunden. Er war auf der Ausstellung durch nicht
weniger als 18 größere und kleinere Bilder reprä-
sentirt; alle sind sie im Laufe der letzteren Jahre
gemalt, alle würden sie in einer jeden Galerie mit Ehren
einen Platz behaupten können, einzelne wirken durch
ihre Vereinigung großartiger und einfacher Ausfassung
und meisterhafter Formgebung schlechthin imponirend.
Jn der Behandlung der weiten Fernen ist Kyhn im
Norden der allein dastehende Meister; gewaltig
tragen die imposanten Luftmotive dazu bei, die tief-
poetische, meist etwas schwermütige Stimmung seiuer
späteren Arbeiten hervorzurufen.

Unter den dänischen Künstlern reiferen Alters
hat der Besucher gewiß am ersten Karl Bloch, unseren
einzigen Geschichtsmaler von allgemein anerkanntem
Ruf, gesucht. Diesmal war er jedoch nur sparsam
vertreten: einige allerdings schöne Porträts, ein paar
Genrestücke von kiebevoller Ausführung und ein
überaus feines und geistvolles Küstenbild gaben von
seiner eigenartigen Stellung in der nordischen Kunst
bei weitem keine hinlängliche Vorstellung. Von Exner
sah man mehrere gute Bilder aus dem dänischen
Volksleben; besonders erfreulich wirkt sein Humor.
Man betrachte nur den alten Dorfmusikanten, vor
dem der Bube eine Probe seiner Fertigkeit im
Violinspielen ablegen soll! Von dem sechundachtzig-
jährigen Sonue sah man mit Verwunderung Bilder,
die vor kaum sechs Jahren gemalt sind, und welche,
trocken in der Farbe, wie sie erscheinen, doch durch
Energie der Komposition und Lebhaftigkeit der Be-
wegungen nicht weniger als durch Sicherheit und

Reinheit der Zeichnung interessiren. — Als Über-
gangsglied von der älteren, akademischen, zu der neueren,
mehr realistischen dänischen Malerschule steht Otto
Bache da. Als Tiermaler durch scharfen Blick sür
die Eigentümlichkeiten der verschiedenen Pferde- und
Hundetypen so wie durch kräftige Farbenwirkung und
Bravour des Bortrages ausgezeichnet, nahm er mit
seinem sehr figurenreichen, glänzeud komponirten Bilde:
„Nach der Parforcejagd", durch seine „Arbeitspferde
im Walde" u. a. auf der Ausstellung eine Hauptstelle
ein. Auch seine beiden lebensgroßen Bildnisse sind
von bedeutendem Werte.

Als eigentlicher Führer der jüngeren dänischeu
Schule, welche schlichte Ausfassung der Natur und
innigste Vertiefung in die gewöhnlich ganz alltüg-
lichen Motive auf ihre gemeinsame Fahne geschrieben
hat, muß der bei Bonnat in Paris ausgebildete
P. S. Kröyer genannt werden. Unter dem Einflusse
der modernen französischen Kunst hat er sich zum
hervorrageudem Techniker entwickelt, ohne jedoch die
Einfachheit der Auffassung, die innige Naturliebe
und die volle Hingebung an die scheinbar kleinen
Vorwürfe, die der älteren dänischen Kunst ihren vor-
nehmsten Reiz verleiht, im geringsten einzubüßen. Jn
seinen im Freien gemalten Bildern, wie in der „Ab-
fahrt der Fischer zum Nachtfang", mit der wunder-
vollen Abendstimmung, hat er glänzende koloristische
Wirkungen erzielt. Jn einem zweiten großen Ge-
mälde, „Sommertag am Strande Skagens", gekang
es ihm, aus dem möglichst kleinen Motive Erstaun-
liches hervorzuzaubern. Das obere Viertel des Bildes
ist helle Luft, die übrige Leinwand ist durch eine
vom Vordergrunde links aufsteigende Diagonake der
Meeresufer geteilt, die linke Hälfte ruhiges Wasser
mit badenden Kindern, rechts flacher Sandboden, da-
bei eine Gesamtwirkung Von entzückender Schönheit.
Ein drittes Hauptwerk führt deu Beschauer in einen
der prachtvollen Räume der Karlsberger Glyptothek
hinein, der Besitzer hat einen Kreis von Künstlern
und Gelehrten versammelt und dadurch Kröyer zur
prächtigsteu Gruppirung und lebhaftesten Charakte-
ristik der zu porträtirenden Personen Veranlassung
gegeben. Auch von tresflichen Pastellen und Einzel-
bildnissen hatte Kröyer mehrere ausgestellt, unter den
letzeren zeichnet sich besonders dasjenige des Herrn
Jnspektors P. Krohn durch freie Haltung und meister-
hafte Mache aus. Nicht weniger bedentend sind die
mit größter Lebendigkeit aufgefaßten und glänzend
gemalten Bildnisse der Fräulein Bertha Wegmann.

Uuter die feinsten und eigenartigsten Leistungen
neuerer dänischen Kunst zählt das „Möwenrupfen"
der geistvollen und ausgezeichnet tüchtigen Malerin
Frau Anna Ancher. Schön sind die beiden Alten,
 
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