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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 24.1889

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Rückblick auf die Kunstausstellungen in Kopenhagen im Sommer 1888
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Rückblick aus die Kunstausstellungen in Kopenhagen im Sommer 1888.

die mit dem Ausrupfen der Seevögel in ihrer nrm-
seligen Hütte beschäftigt sind, eben nicht; um sv
liebenswürdiger aber hat sie uns die Künstlerin ge-
schildert; überaus fein ist das Zusammenspiel der
Figuren, welche sich mit lauuigem Gespräche die
Arbeit würzen, liebevoll uud cuergisch ist dcr ganze
malerische Vortrag. Tresfliches hat auch Michael
Ancher geleistet; das von ihm gemalte Portrüt seiner
Gattin, der eben genanntcn Künstlerin, hebt sich dnrch
schlichte Großartigkeit der Auffassung und der Linien
sowie durch eindringendste Jndividualisirung hervor;
in dem Bilde „Ein krankes Mädchen" lerne» wir
ihn als einen tiefempfindenden, jedoch kerngesunden
Lyriker kennen. Große Fertigkeit in der psycholo-
gischen Darstellung legt in seinen verschiedenen Ar-
beiten A. Helsted dar, so in der „Brautwerbung",
wo es dem alterndeu Hagestolzen recht beschwcrlich
fällt, der hübschen Witwe seine Vorschläge vorzutragen,
und in der mit wohlthuender Laune gemalten, vielleicht
jedoch ein wenig ins Karikaturhafte sallenden „Vor-
lesung fürDamen". Carl Thomsen schildert in seinem
„Diner im Pfarrhofe" mit keinem geringen Glücke
und lobenswerter Maßhaltigkeit eine ganze Reihe
von Typen geistlicher Herren; in dem kleineren Bilde
„Ungelegen" erzählt er uns sehr hübsch von der Uuter-
brechung einer Werbung durch das unerwartete Ein-
treten des Schwesterbackfisches. Von Viggo Johansen
bot die Ausstellung vorzügliche Genrebilder und
Landschaften dar, in den ersteren bewunderte man die
Feinheit und Natürlichkeit des Ausdruckes, in den
letzteren die zauberhafte Feinheit der Lüfte.

Sehr interessant war die Reihe von Bildern
des jungen Malers Julius Paulsen, in denen er
bis zur Evidenz darthat, daß er wie kein zweiter
nordischer Künstler das nackte Modell beherrscht.
Mehrere seiner Arbeiten sind als Studien zu be-
trachten, so das große, stark realistische Bild: „Die
Modelle warten" und die wunderbar gemalte „Eva";
in dem großen, sür die Nationalgalerie erworbenen
Gemälde: „Adam und Eva" sind nicht nur die nackten
Figuren, wie sie in dem duftigen Schatten des Waldes
dastehen, köstlich gemalt, sondern auch die ganze
Situation ist mit dem tiefsten und edelsten Gefühl
erfaßt; besonders entzückend ist die eben erschaffene
Eva, wie sie mit bewunderndem Blicke den aus dem
Schlafe erwachenden Adam betrachtet. Von nicht ge-
ringerem Werte ist Paulsens „Maria mit dem Kinde".
Hätte der Maler sein Kunstwerk ganz einfach als
„Mutter mit ihrem Kinde" bezeichnet, würde diese
einfache Komposition, das schöne junge Weib, welches
mit seinem Kleinen im Schoße sich mit inbrünstigem
Gebete gen Himmel wendet, von allen Beschauern
unter die schönsten Perlen dänischer Kunst gerechnet

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werden; jetzt wirkten die ganz alltägliche Anffassung'
die modernen Typen und das nichts weniger als alt-
testamentliche Kostüm auf viele etwas befremdend,
und nur die köstliche Farbe des Bildes ward allge-
mein bewundert. Auch in seinen Porträts zeigte sich
Paulsen als ein hervorragender Bteister; aus seinen
kleinen Landschaftsbildern weht die zarteste Poesie,
die reinste Stimmungsfülle dem Beschauer entgegen.

Von biblischcn oder doch historischen Bildcrn bot
die Ausstellung nur weniges von Bedeutung dar.
„Christus und Nikodemus" von Engelsted ist ein
würdiges und besonders in der Schilderung des ge-
lehrten Zuhörers des Heilands sehr ernsthaftes Kunst-
werk, etwa im Geiste E. von Gebhardts. Jn I.
Skovgaards „Der Engel am Teiche Bethesda" ist
das Gewimmel und das Raufen der heranströmenden
Leute mit großer Kraft und Frische wiedergegeben; der
über das Wasser schwebende Engel ist aber eine durch-
aus drollige Figur. Der „Hiob" von Hammershö,
eine sitzende Einzelgestalt in einem mehr als halb-
dunkeln Raume dargestellt, hat außer dem Kreise
der Künstler und Kenner nur ein geringes Verständ-
nis errungen, zeigt jedoch den noch ganz jungen
Maler als eine edle und selbständige Natur, die sich
rüstig hervorarbeitet, ohne sich im geringsten um das
Herkömmliche, noch um die Urteile des kaufenden Pub-
likums zu kümmern. K. Zahrtmann hat seinen
„Hiob" auf den Rücken hingeworfen; laut schreit er
in der tiefsten Verzweislung gegen den Himmel empor;
still und grübelnd sitzen seine drei Freunde um ihn
herum, während die sinkende Sonne mit ihrem letzten
Glanze die Trümmer seines nmgestürzten Hauses
bestrahlt. Das ganze mächtige Kunstwerk zeugt von
der innigsten Vertiefung in den biblischen Vorwurf;
Zahrtmann hat sich hier als Tragiker von hohem Range
bewährt. Von erhabenem Pathos ist auch sein Bild „Ele
Onora Christina wird beim Eintreten ins Gefängnis
untersucht"; in dem Bilde „Aus der Verfallsperiode
Roms", wo der dicke Epikuräer — ein wahrer Petro-
nius Arbiter— auf dem Ruhebette hingestreckt mit dem
Papagei spielt, bewundert man in gleichem Grade
die scharfe Charakteristik nnd das prachtvolle Kolorit.
Rührend ist das Bild Jrmingers „Jm nlten Kolos-
seum"; ein ganz jungesMädchen — die einzigeFigur des
Bildes—kauert beiderJnnenmauer desAmphitheaters;
mit den Händen hält sie sich die Ohren zu, um nicht
das Gebrüll der hernnnahendcn Löwen zu hören. —
(Schluß folgt.)
 
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