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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 3.1892

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Heiden, Max: Moderne Kirchenstoffe und Stickereien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4888#0149

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MODERNE KIRCHENSTOFFE UND STICKEREIEN.

119

Der obere Abschluss ist durch eine filetartig ge-
arbeitete Leinenspitze, der untere durch eine Gold-
franse gebildet.

Ein anderer ganz besonderer Stil kennzeichnet
noch die kirchlichen Stickereien dieser Werkstatt. Das
ist die Schnaückung des Altarbehanges durch wenige
Formen auf weitem frei gelassenen Grunde: das
Ernste, Würdevolle wird erreicht durch einen guten
Sarnmet- oder Seidenstoff, auf dem beispielsweise
nur das in Gold gestickte Kreuz steht. Eine Franse,
je nach den zu Gebote stehenden Mitteln, schmal
oder schwerer, oft sogar bis zu quastenartigen Trod-
deln ausartend, bilden dann den Abschluss.

In dieser Weise behandelt sind die Figuren des
Christus und der vier Evangelisten auf der abgebil-
deten Kasel. (Vergl. d. Tafel.)

Von besonderem Interesse ist es noch,, gelegent-
lich dieser Goldstickereien zu erwähnen, dass bei
Bessert-Nettelbeck vorwiegend — soweit es die anzu-
wendende Technik gestattet — der japanische Gold-
faden Verwendung findet. Er kann bekanntlich nicht
oxidiren, was bei dem unserigen unter Umständen
leider oft schon nach kurzer Zeit möglich ist.

Aus Berlin hatten ferner Stickereien ausge-
stellt: Frau von Wedell, u. a. eine Studie nach den
schönen in Gold und farbiger Seide gestickten

Fig. 8. Kirchliche Leinenstickerei, aus Heiden, Motive, Tafel 221.

Viel Fleiß wendet die Werkstatt an, um auf
die eigentümliche reizvolle Behandlung der Fläche
in gestickten Goldfäden zu kommen, die uns die
deutschen Bildstickereien aus der Zeit um 1500 so
wertvoll macht. Die Metallfäden werden aufgelegt
und durch Aufnähen derselben mit roter Seide in
verschiedener Linienführung wird ein Grundmuster
förmlich herausmodellirt. Aus solcher Arbeit be-
stehen die verschiedenen Grundflächen des auf
Seite 111 dargestellten Kaselkreuzes.

Aber noch eine andere schwierigere Art des
Stickens haben uns die alten Vorbilder erhalten:
jene Figurenstickerei, welche den quer gelegten,
ziemlich starken Goldfäden mit bunter Seide die
Formen und Fältelungen der Gewänder giebt.

Kasein aus Oliva (vergl. Abbildung 7) und Architekt
Theodor Prüfer, dessen Arbeiten durch die seiner
Zeit von ihm herausgegebene Zeitschrift: „Archiv
für kirchliche Kunst" noch allen Interessenten in
Erinnerung sein werden. Als Kopfleiste des ersten
Teiles dieses Aufsatzes hat eine, von Prüfer entwor-
fene Borte für Leinenstickerei Verwendung gefunden.
Von allen Gebieten der Stickerei war übrigens
die Leinenstickerei auf der Berliner Ausstellung am
allerwenigsten vertreten. Warum? Will man den Ge-
brauch des Leinenzeuges für kirchliche Zwecke ganz
aufheben? Gewährt seine Waschbarkeit gegenüber
den unhaltbaren Farben in unseren Garnen und Seiden
nicht mehr den Nutzen von ehedem? Welch schöne
Beispiele sind uns davon aus alter Zeit erhalten!

IS*
 
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