Unsre Bilder und Noten
u l tzeyses Bildnis, wie es Lenbach geschaffen hat, haben ältere
HKunstwarthefte unsern Freunden mitgegeben. Möge ihnen Kunz-
^^^Meyers schöne Zeichnung als ein letzter Gruß von diesem Toten
willkommen sein!
Der Originalholzschnitt von Lläre Neuhaus, den wir in gut ge«
lungener Wiedergabe vors tzeft setzen, ist auch etwas wie eine Illustration
zum Leitaufsatz. Wieviel fruchtbarer wäre der Verkehr nnsers Volkes
mit seiner Kunst, wenn es sich wieder heranbilden könnte zur Genuß-
fähigkeit an solchen nicht prunkenden, aber kunstechten Blättern, von
denen eigentlich jeder Abzug ein Original ist. Es würde damit ein
Verhältnis zu seiner Kunst gewinnen, wie wir es bei den Iapanern zur
tzöhezeit ihrer Kunstblüte bewundern. Ietzt sind wir weit davon ent-
fernt, die Originalholzschnitte sind hundertmal teurer als die technisch so
blendenden und ästhetisch so wertlosen Farbenautotypien, für die Publikus
schwärmt, und eben der geringen Nachfrage wegen bleiben die echten
Schnittdrucke vorläufig auch noch so teuer. Die geringe Nachfrage aber
kommt daher, daß man die besonderen Werte echter tzolzschneidekunst nicht
sehen kann. Beispielsweise: jeder sieht zwar aus unserm Blatt die Dar-
stellung eines schmalen Kanals mit Bäumen, Wiese und tzimmel, aber
nicht mehr. Sagt man einem Bürger, daß wir ein Blatt von solcher Fein-
heit wie das Neuhaussche mit Papiergeld aufwägen würden, wenn es
aus Iapan stammte, so denkt er: „Was gibt es doch für Narren!" Er
sieht weder den wundersamen Duft, der mit goldigem Licht über dieser
tiefen Ebene liegt bis hin zum tzimmelleuchten, noch werden ihm die
intimen malerisch-p ersönlichen Reize des Kunstwerkes als solchen leben-
dig. Sein Auge ist für diese „Sonne" nicht „sonnenhaft", sonst würde
ihm beim Betrachten zumute werden, als bespräche sich da die Künstlerin
mit ihm bei Betrachtung dieses Stückes Welt vertraulich auf Du und Du.
Worübrr nicht alles! Da ist zunächst die Äbersetzung des landschaftlichen
Eindrucks für die Zwecke des Plattenschnittes — und die bedeutet schon
an und für sich eine liebreiche Auseinandersetzung des Künstlerauges mit
jeder Form dieser Landschaft. Wir können das mit belauschen, bis
alles auf vier geschnittene Tischlein verteilt ist. Dann bekommt jedes
davon seine Farbe aufgedeckt. Aber nicht mechanisch und roh, wie eine
Tischdecke, sondern überall fein abgewogen und abgeprüft als wäre die
Decke schon die Speise — denn jedes Einfärben, jeder einzelne tzanddruck ist
ja eine so persönliche Sache, wie das Tuschen. Wer gut hinsieht, erkennt
noch auf unsrer Reproduktion ganz deutlich, wie ungleich stark der Farben-
auftrag auf dem Original war, und daß die Töne wie beim Aquarell hier
zusammenliefen, dort für sich auftrumpften. Wer gut hinsieht — ich kann
nur wiederholen: der kommt mit dem Künstler auf Du und Du. Er ge-
nießt der Schönheit der Natur geschwisterlich zusammen mit ihm, der
ihm seine Augen dazu leiht — und dabei genießt er wieder des Malers.
Aber: auch des Materiales genießt er: der Platten, die diese und jene
„Mucken" haben, des Messers, dem dieses und jenes Spaß macht und
anderes nicht, des Pinsels und der Farbe mit ihren Eigenheiten. Was
bleibt von all diesen Werten übrig bei den Farbenautotypien gewöhn-
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u l tzeyses Bildnis, wie es Lenbach geschaffen hat, haben ältere
HKunstwarthefte unsern Freunden mitgegeben. Möge ihnen Kunz-
^^^Meyers schöne Zeichnung als ein letzter Gruß von diesem Toten
willkommen sein!
Der Originalholzschnitt von Lläre Neuhaus, den wir in gut ge«
lungener Wiedergabe vors tzeft setzen, ist auch etwas wie eine Illustration
zum Leitaufsatz. Wieviel fruchtbarer wäre der Verkehr nnsers Volkes
mit seiner Kunst, wenn es sich wieder heranbilden könnte zur Genuß-
fähigkeit an solchen nicht prunkenden, aber kunstechten Blättern, von
denen eigentlich jeder Abzug ein Original ist. Es würde damit ein
Verhältnis zu seiner Kunst gewinnen, wie wir es bei den Iapanern zur
tzöhezeit ihrer Kunstblüte bewundern. Ietzt sind wir weit davon ent-
fernt, die Originalholzschnitte sind hundertmal teurer als die technisch so
blendenden und ästhetisch so wertlosen Farbenautotypien, für die Publikus
schwärmt, und eben der geringen Nachfrage wegen bleiben die echten
Schnittdrucke vorläufig auch noch so teuer. Die geringe Nachfrage aber
kommt daher, daß man die besonderen Werte echter tzolzschneidekunst nicht
sehen kann. Beispielsweise: jeder sieht zwar aus unserm Blatt die Dar-
stellung eines schmalen Kanals mit Bäumen, Wiese und tzimmel, aber
nicht mehr. Sagt man einem Bürger, daß wir ein Blatt von solcher Fein-
heit wie das Neuhaussche mit Papiergeld aufwägen würden, wenn es
aus Iapan stammte, so denkt er: „Was gibt es doch für Narren!" Er
sieht weder den wundersamen Duft, der mit goldigem Licht über dieser
tiefen Ebene liegt bis hin zum tzimmelleuchten, noch werden ihm die
intimen malerisch-p ersönlichen Reize des Kunstwerkes als solchen leben-
dig. Sein Auge ist für diese „Sonne" nicht „sonnenhaft", sonst würde
ihm beim Betrachten zumute werden, als bespräche sich da die Künstlerin
mit ihm bei Betrachtung dieses Stückes Welt vertraulich auf Du und Du.
Worübrr nicht alles! Da ist zunächst die Äbersetzung des landschaftlichen
Eindrucks für die Zwecke des Plattenschnittes — und die bedeutet schon
an und für sich eine liebreiche Auseinandersetzung des Künstlerauges mit
jeder Form dieser Landschaft. Wir können das mit belauschen, bis
alles auf vier geschnittene Tischlein verteilt ist. Dann bekommt jedes
davon seine Farbe aufgedeckt. Aber nicht mechanisch und roh, wie eine
Tischdecke, sondern überall fein abgewogen und abgeprüft als wäre die
Decke schon die Speise — denn jedes Einfärben, jeder einzelne tzanddruck ist
ja eine so persönliche Sache, wie das Tuschen. Wer gut hinsieht, erkennt
noch auf unsrer Reproduktion ganz deutlich, wie ungleich stark der Farben-
auftrag auf dem Original war, und daß die Töne wie beim Aquarell hier
zusammenliefen, dort für sich auftrumpften. Wer gut hinsieht — ich kann
nur wiederholen: der kommt mit dem Künstler auf Du und Du. Er ge-
nießt der Schönheit der Natur geschwisterlich zusammen mit ihm, der
ihm seine Augen dazu leiht — und dabei genießt er wieder des Malers.
Aber: auch des Materiales genießt er: der Platten, die diese und jene
„Mucken" haben, des Messers, dem dieses und jenes Spaß macht und
anderes nicht, des Pinsels und der Farbe mit ihren Eigenheiten. Was
bleibt von all diesen Werten übrig bei den Farbenautotypien gewöhn-
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