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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Kutschmann, Max: Die ostasiatische Ausstellung der Berliner Akademie der Künste
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0221

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ABSCHIED DER CHAO CHÜN. Gemälde auf Seide. China, 14. Jahrh. Bes.: KGL. MUSEEN, BERLIN

D

IE OST ASI ATIS CHE AUS- der unerhörten Schönheit und Freiheit ostasia-

STELLUNG DER BERLINER tischer Schreibkunst zu geben. Schrift und

AKADEMIE DER KÜNSTE. Malerei sind im fernen Osten nicht nur durch

das gleiche Handwerkszeug, den Pinsel, mittels
Von Prof. Max Kutschmann. dessen sie hervorgebracht werden, eng verwandt.
Als vornehmste Kunst hat in Ostasien Ihre Beziehungen liegen tiefer, denn beide
von jeher die Malerei und die mit ihr eng haben, eins vom anderen erzogen, das Ziel,
verbundene Kalligraphie gegolten, welch letztere auf die knappeste und formvollendetste Weise
in ihren vollkommensten Schöpfungen dort eine innere Vorstellung zur Anschauung zu
die allerhöchste Wertschätzung genießt. Diese bringen. Diese gekürzte, allem überflüssigen
für unser Kunstgefühl sonderbare Tatsache er- Zierrat abholde Art der Darstellung durchzieht
klärt sich leicht, wenn man sich vergegenwärtigt, fast die ganze ostasiatische Kunst. Das Skizzen-
daß die chinesische Schrift keine Buchstaben- hafte, das uns ihren Bildern oft anzuhaften
schrift, sondern eine Wortschrift ist. Als solche scheint, ist nichts weniger als das, denn die
gibt sie keine Zusammenstellungen von Laut- Skizze, wie wir sie verstehen, ist eine erste
zeichen, sondern eher ein Symbol oder Bild Niederschrift, die in der künstlerischen Erregung
des auszudrückenden Begriffes. Das schön und über ein inneres oder äußeres Erlebnis gewisser-
edel geschriebene Schriftzeichen läßt daher maßen stenographiert wird und die, bei der
gewissermaßen den durch ihn ausgedrückten späteren Ausführung des Werkes, nur zu häufig
Begriff in vertiefter und verklärter Bedeutung durch mühsame Arbeit verquält, das vom Künstler
erstrahlen. Aus dieser Eigenart der chinesischen in glücklicher Stunde eingefangene Leben ver-
Schrift erklärt sich auch der Glaube an das röcheln muß.

geheimnisvolle und zauberische Leben und Anders führt der Weg den Ostasiaten, denn
Wirken solcher, von großen oder heiligen sein Bildgrund, stark saugendes Papier oder
Männern geschriebenen Schriftzeichen. Seide, erlaubt keinerlei Korrekturen. Diese
Kalligraphische Meisterwerke, die in Ostasien Eigenart seines Materials zwingt ihn bereits vor
oft als erlesenste Kostbarkeit gerahmt an der, Beginn seiner Arbeit eine unbedingt klare
den Bildern sonst vorbehaltenen Stelle hängen, Vorstellung von dem Darzustellenden zu ge-
fehlen in unserer Ausstellung ganz, jedoch winnen und jedes Detail sorgfältig zu durch-
vermögen die den Blättern des Koetzu-Albums denken. Durch unzählige Versuche muß er
eingeflochtenen Verse oder die einzelnen Bildern für jede Einzelheit die knappeste Formel suchen,
hinzugefügten Schriftgruppen einen Begriff von bis endlich das gewollte Bild lückenlos vor

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