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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Petzold, Emil: Gedanken eines Laien über die Kunst der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0471

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OED AN KEN EINES LAIEN UBER DIE KUNST DER GEGENWART

Menschen gleichmäßig entzücken, Sachverständige Und das Brautpaar war von dem Mitleid des

und Laien. Wie kommt es, daß über diese Möbelfabrikanten dennoch nicht gerührt. Es

gewissen Werke nie der Kampf der Ansichten, fühlte in sich ein Verlangen nach Schönheit, stieg

ob schön oder nicht schön, entbrennt? Sie sind in den Möbelhallen auf und nieder und fand

schön, das bestreitet nicht einmal der ein- keine Schönheit. Das Brautpaar träumte von

fältigste Laie. allerhand einladenden Formen, es fühlte noch

Der Laie ist friedfertig, er streitet überhaupt nichts vom Geist des Zugehackten in sich und

nicht. Das haben ihm die Sachverständigen aus- meinte, daß zusammengefügte, nur mit Säge und

getrieben. Diese denken und streiten für ihn. Hobel bearbeitete Bretter und Klötze noch lange

Aber Gefühl hat der Laie auch; er hat keine Möbel seien, sondern allenfalls Boxen für

Empfindungen und Ahnungen. Wenn man ihm Pferde darstellten.

den göttlichen Abglanz seiner Seele nehmen will, Aufgewachsen in behaglichen elterlichen Patrizier-
so lasse man ihm wenigstens das Recht auf sein häusern, die mit wirklichen Möbelstücken aus-
Gefühl. Ach, wenn man doch die Laien nicht gestattet waren, auf die man sich setzen, legen
so sachverständig mißhandeln wollte! und in denen man sich wirklich zu Hause fühlen

Ich sah Laien in eine Möbelhalle eintreten. konnte, sahen sie sich hier Bretterkästen, Wänden
Rechtschaffene Menschen, die
sich zusammentun und heiraten
wollten. Es waren fühlende, gut-
herzige, empfindsame Menschen.
Das Vertrauen zu den Mitmen-
schen sprach ihnen aus den
Augen. Sie hatten sicherlich noch
keine trüben Erfahrungen !ge-
macht. Das Laienpaar verneigte
sich ehrerbietig gegen den als
berühmten Kunstmöbelsachver-
ständio-en berüchtigten Inhaber
der gewalligen Möbelfirma, und
es begehrte schöne behagliche
Möbel zu sehen, „Ueber die man
sich immer freuen kann" sagte
die Braut, und der Bräutigam
fügte als Dominante und Unter-
ton zugleich hinzu: „Schön
müssen sie sein und behaglich."

Die empfindsamen Menschen,
die solcherart die Schönheit be-
tonten, durchwandelten die Rie-
senhallen des Möbelmannes und
Königlichen Rates und wurden
immer ernster und niederge-
schlagener. Der (wie gesagt) als
Kunstkenner verschriene Fabri-
kant und Händler pries ihnen
ein Möbelstück ums andere mit
unnachahmlicher Hoheit, bald
als modern bald als hochmodern
an, ohne daß die Suchenden
etwas anderes als ein Kopf-
schütteln darauf gehabt hätten.

Der Kunstmöbelhändler wurde
immer mitleidiger mit den Kauf-
willigen, er betrachtete sie von
der höchsten Spitze seines Kunst-
gefühls herab nur noch als Ba-
nausen^ die der heutigen Kunst alter mann. Ölgemälde max slevogt

Stumpfsinnig gegenüberstehen. Original im Besitz von E. Zaeslein, Kunsthändler, Berlin-Grunewald

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