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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Schölermann, Wilhelm: Die fünfte graphische Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0870

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FÜNFTE GRAPHISCHE AUSSTELLUNG IN HAMBURG

LOMBARDBRUECKE IN HAMBURG IM REGEN. LITHOGRAPHIE TANNA KASIMIR-HORNES

pikant, ein wenig verderbt und müde. Inzwischen Goya, entbehrt des glücklichen Schwärmens und
ging Meid mehr auf unmittelbare Eindrücke los, ausgleichenden Humors gesunder Phantasien; sie
z. B. „Ausziehende Kavallerie" und „Pferde- ist weniger ein Tagestraum wie ein Nachtmar
stall", die ihn von dieser Seite zu sicheren Er- geworden. Wer glaubt noch an Blumengeister?
Wartungen einer heranreifenden Gesundung be- An Elfen und Nymphen und Waldschratte, wie
rechtigen. Der ehemalige Romana - Preisträger sie noch Schwind sah, wie sie noch Goethes
Otto Höger scheint unter italienischem Himmel Faust im Alter (II. Teil) verkörpert darstellt?
bedenklich abzuflauen. Seine marklosen Studien- Wem beleben sich noch die Felsen und Grotten
köpfe lassen viel zu wünschen. Ein wenig mit Alben und Maren, wie unsern germanischen
rauhere Nordluft scheint dringend als „change und keltischen Ahnen? Die ganze Allnatur
of air" zu empfehlen! lebte von Tages- und Nachtalben und jahres-
Die Romantik oder Phantastik impulsiver und zeitlichen Wind- und Wetterwesen! Guten und
nordisch grüblerischer Künstler suchte von jeher neckischen und boshaften. Was zeigt die Graphik
in den Ausdrucksmitteln der Graphik einen natür- von heute? Phantastische, schmerzverzerrte Ge-
liehen Spielraum zur Betätigung. Von Dürer stalten, die wie böse Träume daherkommen und
bis Minne und den Norwegern. Auch heute vorüberschweben, wie die Radierungen Edwin
könnte die Graphik ihn bieten, wäre unsere Scharff's. Einen natürlichen Phantasiezauber,
Romantik noch naiv, unsere Phantastik gläubig eigentlich mehr philosophische Symbolik, zeigen
und positiv gestaltend. Doch das ist sie kaum Joseph Uhl's Zyklen zum „Liebesmysterium",
noch. Der über alles Erdenleid und Diesseits- Heinrich Vogeler versagt, wo er neuerdings
schwere erhebenden Jenseitshoffnung religiöser symbolisieren möchte. Früher glückte ihm die
Jahrtausende ist die Diesseitstrauer des sozialen romantische Note in der Radierung besser.
Jahrhunderts gefolgt. Unsere Naivität ist nicht Eine arkadische Saite, ein wenig an den
mehr naiv, unsere Romantik sehnsüchtig rück- Hellenismus eines Ludwig von Hofmann an-
wärts gerichtet, unsere Phantastik, dämonisch klingend, aber ohne Farbenmittel, nur durch den
inauguriert an der Schwelle der Moderne durch dicken schwarzen Kontur rhythmischer Bewegung,

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