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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 1874

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Lind, Karl: Restaurationsberichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.26256#0307

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Sohne Friedrich und bestimmte sie — wie in Ahnung
des nahen Todes — zu seiner Ruhestätte. Noch im sel-
ben Jahre eilte er nach Italien, um zwischen Papst Inno-
cenz III. und Kaiser Friedrich II. als Friedensvermitt-
ler zu wirken. Leopold sollte seine Heimat nicht mehr
sehen und auch den Friedensschluss nicht erleben; er
starb am 28. Juli 1230 zu S. Germano und wurde im
Kloster Monte-Cassino beigesetzt. Um seinen letzten
Willen zu ehren , brachte man die Gebeine nach seiner
Stiftung an der Traisen.
Gegen Ende desselben Jahres war der Bau der
Kirche vollendet und fand gleichzeitig mit der Kirch-
weihe die Beisetzung der Reste des Stifters vor dem
Hochaltäre statt, woselbst sie bis heute unter einer
nichts weniger als prachtvollen Tumba ruhen.
Die weiteren Schicksale des Stiftes unerwähnt
lassend, wollen wir noch bemerken, dass dasselbe glück-
liche und herbe Zeiten abwechselnd erlebte, bis 1789
das kaiserliche Wort dessen Wirken abschloss und 1790
es wieder aufleben machte und zu neuer Wirksamkeit
berufend in den grössten Tlieil seines Besitzes ein-
führte.
Entsprechend den Ordenssatzungen war das Klo-
ster nach seiner Vollendung mit den nothwendigen
Räumlichkeiten ausgestattet; die bedeutenderen da-
runter sind: die der heil. Maria geweihte Kirche, nur
für die Mönche bestimmt und anfänglich sämmtlichen
Laien, später nur dem weiblichen Geschlechte ver-
schlossen; der Kreuzgang, der sich der Südseite der
Kirche anschliesst und mit einem Brunnenhause ausge-
stattet war; das Capitelhaus, der Ort, wo die Versamm-
lungen der Conventualen zur Abtwahl und zur Beratliung
über wichtigere Administrativ- und Disciplinarmassregeln
stattfanden, endlich das Oratorium, das Speise- und das
für alle Conventualen gemeinsame Schlafhaus, welches
letztere jedoch nur so lang im Gebrauch blieb , als man
ungeachtet des strengen Klima’s an der Ordensregel hielt.
Alle diese Gebäude blieben bis ins XIX. Jahrhun-
erhalten, nur fügte man noch so manches hinzu, wie in
den Jahren 1622bis 1638 die Prälatur, das Archiv- und
Bibliotheksgebäude. Die der Erhaltung alter Bauwerke
so gefährliche Zeit der Renaissance und des Zopfstyles
hatte in Lilienfeld nicht sehr arg gevviithet; die Fa^ade
der Kirche fiel ihr zum Opfer; statt der alten entstand
ein hässlich-nüchterner Vorbau sammt dem mächtigen,
der Cistercienser-Regel widersprechenden Thurme
(1703). Gleichsam zur Erinnerung an die Schönheit der
früheren Fa§ade verwendete man theilweise das frühere
Pracht-Portal, das nun in seinen verstümmelten Stücken
einen schlechten Aufputz der Kirchen-Front abgibt;und
doch können wir noch zufrieden sein, dass uns dies
Fragment erhalten blieb. Die Feuersbrunst im Jahre
1810, die das Kloster arg beschädigte, zerstörte an den
alten Bauwerken so manches, auch die achtseitige
Brunnenhalle ging dabei zu Grunde.
Die Stiftskirche gehört zu den interessanteren Kir-
chenbauten Nieder-Österreichs. Ihr Bau fällt in jene
Zeit , in welcher in unseren Gegenden der bis dahin
übliche ernste romanische Styl allmälig ausser Übung
kam und dafür die schon im Westen Deutschlands
blühende Gothik, in Bestimmung der Raummasse der
Anlage und durch Verwendung des Spitzbogens stätig
zunehmend, Fuss fasste. Viele Ähnlichkeit zeigt die
Kirche in constructiver und ornamentaler Behandlung
XIX.

mit dem Lang- und Querhause der Michaels-Kirche in
Wien und demLanghause der Frauenkirche in Wr. Neu-
stadt, die, von demselben Stifter stammend , ebenfalls
im zweiten und dritten Decennium des XIII. Jahrhun-
dertsentstanden. Grossen Einfluss auf die Gestaltung der
Kirche übte endlich die Baugewohnheit der Cistercien-
ser, in Folge deren dem aus dem Zehneck construirten
Chor-Schlusse ein niedriger von dreizehn Säulen getra-
gener, höchst malerisch ausgeführter Umgang ange-
schlossep. wurde, der ein fast quadratisches Viereck
bildet. Das dreischiffige Langhaus mit seinen niedrigen
Abseiten, das mit dem Mittelschiffe gleich hohe Quer-
schiff und das Presbyterium, unzweifelhaft der älteste
Theil des Gebäudes, machen auf den Beschauer einen
mächtig erhebenden Eindruck. Ein eigenthümliches
Leben bekommt das Bild durch die Zeile der spitzbogigen
Arcaden, die in beiderseitigen Reihen je sechs mäch-
tige Pfeiler verbinden. Das spitzbogige Gewölbe wird
von breiten Quer- und schmäleren Kreuzgurten getragen.
Die Pfeiler werden durch vorgelegte Halbsäulen als
Gewölbgurtenträger verstärkt und haben als besonde-
ren Schmuck zierlich ausgeführteKnospen-Capitäle. Lei-
der stört den Totaleindruck der grossen Kirche der
weit in’s Langhaus vorgeschobene Musikchor-Einbau,
auch die geschmacklos verschnörkelten Presbyteriums-
Fenster verschönern das Bauwerk keinesfalls.
Die Kirche steht in ziemlich gutem Bauzustande,
leider wurde das Innere vor längerer Zeit übertüncht,
wobei man auf den Capitälschmuck wenig Rücksicht
nahm. Einer Restaurirung mehr bedürftig scheint die
Aussenseite der Kirche, respective deren Langseiten
und der Chor-Schluss sammt Umgang zu sein, wo sich
noch die Tuffstein-Weikstiicke in ihrer ursprünglichen
Verwendung und die zierlichen Gesimse mit ihren viel-
artigen Friesmustern und Terracotta-Ornamenten unge-
achtet der argen klimatischen Einflüsse ziemlich gut
erhalten haben.
In einem weniger befriedigenden Zustande befand
sich bisher der mit seinen vier Gängen fast ein regel-
mässiges Quadrat bildende und im gedrückten Spitz-
bogen überwölbte Kreuzgang, dessen geschmackvoll
ausgestattete Bogenöffnungen gegen die Hofseite ge-
richtet sind. An einzelnen Tracten desselben und zwar
an der Behandlung der Fenster, an den Capitälen der
Fenstersäulehen und der den Wandpfeilern vorgelegten
schlanken Säulenbündel, endlich an dem Schmucke der
Consolen, die an der geschlossenen Seite des Ganges
die Gewölbegurten tragen, lässt sich das langsame, aber
constante Vorschreiten des gothischen Styles verfolgen;
während in dem nördlichen ältesten Flügel der Rund-
bogen hie und da selbst unverändert herrscht oder
höchstens unmerklich zugespitzt ist, erscheint in der
wenige Decennien jüngeren Südseite der Spitzbogen
bereits zur vollen Geltung gekommen. Wenn man von
der ein wenig gedrückten Überwölbung des Raumes ab-
sieht, macht der Kreuzgang mit seinen reich verzierten
Rippen-Consolen und den vielleicht vierhundert rothmar-
mornen Säulchenschäften, die an der Arcadenseite zur
Verzierung der Fenstertheilungen und Gewölbepfeiler in
geschmackvollster Weise verwendet sind, einen gross-
artigen Eindruck.
Der Zustand, in dem dieses hervorragende Denk-
mal der Baukunst des XIII. Jahrhunderts auf unsere
Zeit überkommen ist, war ein höchst bedauerlicher.
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