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Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0223

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3. Die Spielarten der Auszeichnung

223

soire griechischer Prunkliebe104. Noch die Mitte des 12. Jahrhunderts entstandene
Graphia aureae urbis Romae kennt nur den Bezug der Kaisermitra zu den Königen
Trojas und dem altrömischen Gott Janus - der sakrale Bezug war hier offenbar
unbekannt oder doch unerwünscht105.
Vielversprechender wirkt der Verweis auf die Himmelsmäntel. Sie könnten
die herrscherliche Garderobe in die Nähe biblischer Überlieferungen zur Amts-
tracht des Hohepriesters rücken, von dem es in den Weisheiten Salomons (18,24)
hieß: »Auf seinem knöchellangen Gewand nämlich war der gesamte Erdkreis dargestellt«106.
Nachweisen lassen sich Herrschermäntel mit kosmologischem Bildprogramm
allerdings erst in spätottonischer Zeit107. Jüngere Forschungen haben insbesondere
mit Blick auf den in Bamberg erhaltenen Sternenmantel Heinrichs II. die direkte
Bezugnahme des reich bestickten Gewandstücks auf die Person des Herrschers
hinterfragt108. Vermutlich war der in Form des geistlichen Pluviale gearbeitete
Mantel im Kontext einer kaiserlichen Memorialstiftung bereits frühzeitig für den
kirchlichen Gebrauch vorgesehen und von Heinrich II. selbst daher niemals ver-
wendet worden. Er erscheint in dieser neuen Sicht weise »eingebunden in den
komplexen Zusammenhang von Heilssorge, persönlicher Bindung und politischer
Integration, der das soziale Phänomen der Memoria bestimmt«109. Als unmittel-
barer Ausdruck einer zeremonialen Selbstdarstellung des letzten ottonischen Herr-
schers läßt er sich hingegen nurmehr mit größten Vorbehalten ansprechen110.

104 Annales Fuldenses, a. 876, S. 86: necnon capite involuto serico velamine ac diademate desuper inposito.
Vgl. dazu kritisch Deér, Byzanz, S. 47, 55f.
105 Graphia aureae urbis Romae, in: Percy Ernst Schramm, Kaiser, Könige und Päpste. Gesammelte
Aufsätze zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 3, Stuttgart 1969, S. 338-353, c. 4, S. 342: Sexta est
mitra, qua lanus et reges Troianorum usi sunt, per quam innuitur, quod monocrator, quae ante et quae re-
tro sunt, sollicita mente advertere debet. Zur Neudatierung gegenüber Schramms Ansatz um 1050
vgl. Herbert Bloch, Der Autor der Graphia aureae urbis Romae, in: DA 40 (1984), S. 55-175.
106 Dazu Percy Ernst Schramm, Sphaira, Globus, Reichsapfel. Wanderung und Wandlung eines
Herrschaftszeichens von Caesar bis zu Elisabeth II. Ein Beitrag zum >Nachleben< der Antike,
Stuttgart 1958, S. 2, 67-70; Eichmann, Kaisergewandung, S. 296; Müller, Kleidung, S. 152ff.; Ro-
MEDio Schmitz-Esser, »Isti mirant stella(m)«. Die Sterne in der Politik des Früh- und Hochmittel-
alters, in: Innsbrucker Historische Studien 25 (2007), S. 137-153, S. 146ff.
107 Neben dem Sternenmantel Heinrichs IL, vgl. Schramm/Mütherich, Denkmale, Nr. 130,485, las-
sen sich nachweisen: Ein durch Otto III. dem Kloster S.Alessio in Rom geschenkter Mantel: inter
quae manthum, quo tegebatur coronatus, in quo omnis Apocalipsis erat auro insignata, vgl. Ex miraculis
S. Alexii, hrsg. von Georg Heinrich Pertz, MGH SS 4, Hannover 1841, S. 619L; sowie ein dem
Kloster St.Denis durch die Ehefrau des Hugo Capet übereignetes Kleidungsstück, vgl. Helgaud
von Fleury, Epitoma Vitae Roberti Regis, hrsg. von Martin Bouquet, Recueil des historiens des
Gaules et de la France 10, Paris 1760, S. 98-117, c. 14, S. 104: ornamentum contulit, quod vocatur >orbis
terrarunu.
108 Renate Baumgärtel-Fleischmann, Die Kaisermäntel im Bamberger Domschatz, in: Bericht des
Historischen Vereins Bamberg 133 (1997), S. 93-126.; dies.. Der Sternenmantel Kaiser Hein-
richs II. und seine Inschriften, in: Epigraphik. Referate und Round-table-Gespräche. Fach-
tagung für Mittelalterliche und Neuzeitliche Epigraphik, Graz, 10.-14. Mai 1988 (Veröffentli-
chungen der Kommission für die Herausgabe der Inschriften des Deutschen Mittelalters 2),
Wien 1990, S. 105-125.
109 Körntgen, Königsherrschaft, S. 406.
110 Eine spannende, wenn auch weithin spekulative Interpretation der Motivik nimmt Volkhard
Huth, Innerweltlicher Fortschritt - kulturelle Grenzüberschreitung? Wissenstransfer und Wis-
sensformen im Umfeld Kaiser Heinrichs IL, in: Aufbruch ins zweite Jahrtausend. Innovation
und Kontinuität in der Mitte des Mittelalters, hrsg. von Achim Hubel/Bernd Schneidmüller
(Mittelalter-Forschungen 16), Ostfildern 2004, S. 259-282, vor, der jedoch die Frage nach dem
 
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