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Keupp, Jan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Wahl des Gewandes: Mode, Macht und Möglichkeitssinn in Gesellschaft und Politik des Mittelalters — Mittelalter-Forschungen, Band 33: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34735#0249

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3. Die Spielarten der Auszeichnung

249

byzantinischen Herrschers (loros) doch unmittelbar aus der spätantiken trabea tri-
umphalis ableiten272. Anklänge an das oströmische Galakostüm sind für das westli-
che Imperium bereits seit ottonischer Zeit bildlich belegt. Verschiedentlich erscheint
hier ein von einem y-förmigen Juwelenkragen vertikal bis zum Gewandsaum herab-
hängender Schmuckstreifen, wie er seit Mitte des 10. Jahrhunderts auf byzantini-
schen Münzen und Herrscherportraits zu sehen ist273. Ein schwacher Reflex der
Herrscherbinde läßt sich auf den Kaiserbildern des Westens zudem in der »charak-
teristischen Betonung des Mittelstreifens der Tunika« erkennen274. Nicht selten be-
gegnet zudem die hoch angesetzte, breite Gürtelpartie mit zum Saum herabfallen-
den reich geschmückten Riemenenden. Beides kann als visuelle Nachahmung ost-
römischer Vorbilder gedeutet werden.
Eine sehr viel enger auf die Festtagstracht des Basileus bezogene Form des
loros findet sich im Verlauf des 12. Jahrhunderts auf den Mosaikdarstellungen der
sizilischen Könige Roger II. in der Martorana bzw. Wilhelm II. im Dom von Mon-
reale. In der Tradition der makedonischen Dynastie wird hier ein schärpenartiger,
von links nach rechts knapp unterhalb des Halses gekreuzter und in komplizierter
Wicklung um die Hüfte geschlungener Stoffstreifen sichtbar. In der Entstehungs-
zeit der Bildwerke mußte ein solches Kleidungsstück längst antiquiert wirken, wes-
halb die reale Existenz eines loros im normannischen Königsornat zu Recht hinter-
fragt worden ist275. Gleichwohl läßt sich von hier aus eine direkte Entwicklungslinie
zur Herrscherbinde Heinrichs VI. in der 1196 fertiggestellten Handschrift des
>Liber ad honorem Augusti< des Petrus de Ebulo ziehen276. Deren durchaus eigen-
willige Interpretation, in der die Stoffbahnen nach unten verschoben vor der Brust
gekreuzt erscheinen, erhält in den frühen sizilianischen Königssiegeln Fried-
richs II. konkretere Gestalt. Erkennbar orientiert sich deren Darstellung an den

272 Vgl. Elisabeth Piltz, Art. Insignien XII: trabea triumphalis u. loros, in: Reallexikon zur Byzanti-
nischen Kunst, Bd. 3, (1978), S. 428-444; Nancy P. Sevcenko, Art. loros, in: Oxford Dictionary of
Byzantium, Bd. 2 (1991), S. 1251f.
273 Hierzu Deér, Byzanz, S. 48-51, mit zahlreichen anschaulichen Beispielen. Vgl. für das byzanti-
nische Münzbild die Zusammenschau in: Catalogue of the Byzantine Coins in the Dumbarton
Oaks Collection and in the Whittemore Collection, Bd. 3.1, Washington 1973, S. 120-125, wo ein
Übergang zu einer modifizierten Form in der Zeit Konstantins VII. angenommen wird. Daß
Schramm diese Formänderung übersehen hat, erscheint gänzlich unverständlich.
274 Deér, Byzanz, S. 50. Derartige Mittelborten lassen sich seit ottonischer Zeit auf mehreren Herr-
scherpotraits ausmachen, im 12. Jahrhundert treten sie erneut regelmäßig auf. Eine neuere Un-
tersuchung auf Basis dieses Befundes steht noch aus. Wenn man mit ebd., S. 54, annimmt, daß
auch die im Westen vielfach belegten Oberarmborten eine oströmische Form aufgreifen, prä-
sentierten sich die römisch-deutschen Herrscher bereits seit ottonischer Zeit betont byzanti-
nisch.
275 Hubert Houben, Roger II. von Sizilien. Herrscher zwischen Orient und Okzident (Gestalten des
Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 1997, S. 320ff.; Ernst Kitzinger, The Mosaics of
St.Mary's of the Admiral in Palermo (Dumbarton Oaks Studies 27), Washington 1990, S. 192ff.,
weist darauf hin, daß nach 1100 kein loros der traditionelleren Form auf byzantinischen Bildern
mehr auftaucht. Er schließt daher auf eine ältere Bildvorlage, nimmt aber immerhin einen reales
loros unter den sizilischen Ornatstücken an, dem auch die einem Pluviale vergleichbare Trage-
form des Krönungsmantels Rogers II. entsprochen hätte. Hingegen glaubt Thomas Dittelbach,
Rex imago Christi. Der Dom von Monreale. Bildsprachen und Zeremoniell in Mosaikkunst und
Architektur (Spätantike, Frühes Christentum, Byzanz, Reihe B, 12), Wiesbaden 2003, hier
S. 302f., wenig überzeugend im Bildnis Rogers II. vor allem eine Christusfigur zu erkennen.
276 Petrus von Ebulo, Liber ad honorem, fol. 106r; 131r; 137r.
 
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