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Dartmann, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11. - 14. Jahrhundert) — Mittelalter-Forschungen, Band 36: Ostfildern, 2012

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34752#0169

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158

Die konsularische Kommune - Genua im 12. Jahrhundert

Genua symptomatisch, dass die Bischöfe nicht in der Lage waren,
Mitglieder ihres Vasallenverbandes zur Zahlung zu zwingen, weil
letztere zu den noMcs %c potentes zählen. Um diesem Skandal, der
nicht zuletzt das Seelenheil dieser notntes gefährdete, abzuhelfen,
griff Bischof Obertus nicht zu Zwangsmaßnahmen, sondern erreich-
te einen Kompromiss, der an einem Sonntag des Juli 1052 in der
Gegenwart zahlreicher Mitglieder des städtischen Klerus verkün-
det wurde: Im Einvernehmen mit den Visconti schenkte der Bischof
die Zehntrechte an dem Besitz der Zweige der de Carmadino und
der de Isola der Abtei S. Siro mit der Erwartung, dort werde für das
ewige Heil der Kaiser, der Genueser Bischöfe und der Mitglieder
der Familie gebetet. Die Vicecomites versprachen hingegen, die ge-
botenen Abgaben an S. Siro abzuführen, mit der Begründung, dort
lägen ihre Vorfahren begraben. Gegen den Widerstand der potentes
konnte oder wollte sich also das geistliche Oberhaupt Genuas nicht
durchsetzen, sondern war auf eine Übereinkunft angewiesen, in der
er auf seine Ansprüche verzichtete. Dieser Akt ist unter der Leitper-
spektive machtpolitischer Lokalgeschichte mit weitreichenden In-
terpretationen befrachtet worden, er belege nämlich die Niederlage
des Bischofs gegen eine weltliche Elite um die Kontrolle der Stadt,
mit der sich Obertus nun gut zu stellen versucht habe Auch wenn
diese Deutung die Aussagen der Urkunde überstrapaziert, handelt
es sich doch um ein signifikantes Zeugnis für Formen des Kon-
fliktaustrags in einer Stadt des 11. Jahmunderts. Allem Anschein
nach stand weder in der Stadt selbst noch außerhalb eine Instanz
zur Verfügung, der der Bischof bei einem Streit mit seinen
ohne weiteres eine Entscheidung mit Chancen zu ihrer Durchset-
zung zutraute.^Ob der im Sommer 1052 gefundene Kompromiss
tragfähig war, kann nicht mehr nachvollzogen werden, da für die
nächsten beiden Generationen jegliches Zeugnis zu den Zehntrech-
ten am Erbe der Vicecomites fehlt. Die konsularische Entscheidung
vom Februar 1111 leitete eine Phase intensivierter Auseinanderset-
zungen um diese Ansprüche ein, die bis vor den Papst getragen wur-
den. 1111 handelte es sich erneut um eine Konfrontation zwischen
dem Bischof und einigen seiner Vasallen, zu denen auch Caffaro
di Caschifellone zählte, der gemeinsam mit seinen Brüdern in dem
Rechtstreit unterlag. Ob die Initiative vom Bischof oder vom Abt
des Klosters ausgegangen war, muss unentschieden bleiben; um die
Klage durchzusetzen, wandten sich die Kirchenmänner jedenfalls

130 Vgl. zu diesen älteren Hypothesen PETTi ßALBi, Visconti, S. 693 f.
131 Die zentrale Bedeutung des Pairsgericht gerade im 11. Jahrhundert belegt das sogenannte
,Edictum de beneficiis', das Konrad II. 1037 erließ: Urkunden Konrads II., hg. v. Bresslau
Nr. 244 (28. Mai 1037), S. 335 ff.; vgl. dazu KELLER, Edictum. In Genua ist allerdings für die
Mitte des 11. Jahrhunderts sowohl ein piacÜMW der obertengischen Markgrafen belegt als auch
zu Beginn des Jahrhunderts eine Intervention Bischof Johannes' II. Vgl. dazu PAvoNi, Cittä,
S.433-436.
 
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