Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

DOI Artikel:
Menzel, Adolph von: Flötenconcert in Sanssouci
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0011

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MODERNE KUNST.
——

BIL D ER-ERKLÄRUNGEN.

i.

FLÖTEN CONCERT IN SANSSOUCI.


gerade schöpferisch angelegte Geister, die im
Bereiche der Kunst neue Bahnen zu erschliefsen be-
rufen sind, ungeachtet der glänzendsten Leistungen
nur langsam volle Würdigung zu finden vermögen,
bewährte sich auch an dem grofsen deutschen Meister,
mit dem wir diesen neuen Jahrgang eröffnen. Um
so gesicherter aber ist die Ehrenstellung, die Adolf
Menzel nach einstimmigem Urteil in unserer vielge-
staltigen Kunstperiode einnimmt. Nur zu sehr sah er
sich anfangs durch äufsere Verhältnisse gehemmt, die
ihm in jungen Jahren bereits den harten Kampf ums
Dasein aufzwangen. Am 8. Dezember 1815 zu Breslau

VON
ADOLF MENZEL.

geboren, siedelte er 1830 mit seiner Familie nach Berlin über, wo

sein Vater eine lithographische Anstalt begründete. Der Tod desselben,
der schon zwei Jahre später erfolgte, legte dem Jüngling die schwere
Pflicht auf, die Mutter und zwei jüngere Geschwister zu ernähren, und
Jahre lang fertigte er für Berliner Kunsthandlungen lithographische
Arbeiten, wie der Tagesbedarf sie erfordert, Büchertitel, Geschäfts-
empfehlungen, Gratulationskarten und Ähnliches. Dabei befolgte er
jedoch keineswegs ein handwerksmäfsiges Verfahren, sondern ent-
ledigte sich jeder Aufgabe durch selbständige Erfindungen und erwarb
sich so eine weit gediegenere Grundlage, als sie die akademische
Schuldressur jener Zeit zu gewähren vermochte, in welcher teils ein
verknöcherter Klassizismus, teils eine verschwommene Romantik den

Ton angab. Nach ganz kurzem Besuche der Berliner Akademie zur
lithographischen Tätigkeit zurückgekehrt, erhielt er 1833 von einer
Berliner Kunsthandlung den Auftrag, einen Cyklus von Federzeich-
nungen zu komponieren, in dem er, aus dem Borne der eigenen Lebens-
erfahrungen schöpfend, das Ringen eines jungen Künstlers mit der
rauhen Wirklichkeit darstellte. Bei allen formalen Mängeln, welche
diesen Zeichnungen noch anhafteten, offenbarte sich hier doch eine
Unmittelbarkeit und Wärme der Empfindung, eine Schärfe der Natur-
beobachtung und Schlichtheit des Vortrags, die von dem üblichen
theatralischen Pathos in augenfälligster Weise abstach und mit einem
Male die Aufmerksamkeit der künstlerischen Welt auf den unbekannten

jungen Mann hinlenkte.
Nunmehr nahm Menzels Entwicklung einen schnellen Fortgang,
und mit der Erweiterung und Vertiefung seiner Ideenwelt vervoll-
kommnete sich mit jedem neuen Werke seine technische Fertigkeit.
Zunächst behielt er fast ausnahmslos als Ausdrucksmittel die litho-

graphische Zeichnung bei, so auch in den 1834 — 36 entstandenen
..Denkwürdigkeiten aus der brandenburgisch-preufsischen Geschichte“,
mit denen er dasjenige Gebiet betrat, auf welchem seinem Schaffen

die höchsten Triumphe beschieden waren. Schon diese zwölf Blätter
lassen die charakteristischen Merkmale seiner Richtung klar und
deutlich erkennen; obenan steht das Streben nach ungeschminkter
Wahrheit, das Streben, den Geist der vaterländischen Vergangenheit
zu neuem Leben zu erwecken, und nur im Dienste dieses Zweckes
stehend, nicht als Selbstzweck erscheint die sorgsame Durchbildung
des Zeitkostüms, mit dem sich Menzel allenthalben wie kaum ein
zweiter vertraut zeigt.
In der zweiten Hälfte der dreifsiger Jahre wandte sich Menzel
auch, fast ganz auf sich selbst angewiesen, der Ölmalerei zu, in der
er u. a. mit den Bildern „Rechtskonsultation“ und „Gerichtstag“ her-
vortrat; ehe er sich jedoch in dieses Fach tiefer einleben konnte,
ward er durch umfangreiche Arbeiten für den Holzschnitt, der nach
langer Vernachlässigung damals in Deutschland wieder zu Ehren ge-
langte, Jahre hindurch in Anspruch genommen. Zuerst durch die
Illustrationen, die er 1839—42 das von Franz Kugler verfafste
„Leben Friedrichs des Grofsen“ ausführte und die in ungefähr 400
Vignetten, Initialen und Textbildern bestehen. Während der nächsten
sieben Jahre beschäftigten unsern Künstler 200 neue Illustrationen zu
der Prachtausgabe der Werke Friedrichs des Grofsen, die Friedrich
Wilhelm IV. veranstalten liefs. Hatte Menzel bereits in der voraus-
gegangenen Arbeit bekundet, wie tief er in den Geist des fridericia-
nischen Zeitalters eingedrungen, so zeigte er sich hier der noch
schwierigeren Aufgabe gewachsen, zugleich die intimsten Anschauungen
und Stimmungen des philosophischen Königs, wie sie sich in Briefen
und anderen Aufzeichnungen niedergelegt finden, in die Sprache der
Kunst zu übersetzen; auf kleinem Raume verstand er es, eine Fülle
von Wissen und Phantasie zu entfalten, oft in geistreicher Weise den
Stoff weiter ausspinnend und auch abstrakten Gedanken eine künst-
lerisch fruchtbare Seite abgewinnend, bisweilen auch mit leiser Ironie
anfechtbare Meinungsäufserungen seines Helden glossierend. An Fein-
heit der Linienführung und farbiger Wirkung liefsen diese Holzschnitte
alles weit hinter sich, was die damalige Zeit auf diesem Gebiete leistete,
und auch heute noch sind sie ungeachtet der beträchtlichen Fort-
schritte, welche die Xylographie inzwischen gemacht hat, technisch
nicht überboten worden. Dasselbe gilt von den 12 Portraitfiguren,
die unter dem Titel „Aus König Friedrichs Zeit“ 1856 herauskamen.
Neben diesen und anderen Zeichnungen begann Menzel auch in
Ölbildern die Gestalt des grofsen Preufsenkönigs zu verherrlichen.
Eröffnet ward die Reihe dieser Kompositionen durch „Friedrichs Tafel-
runde in Sanssouci“ (1849 — 50) und das ,,Flötenkonzert“, das wie das
vorgenannte Werk eine Zierde der Berliner Nationalgallerie bildet und
im vorliegenden Hefte eine würdige Reproduktion gefunden hat. 1854
folgte das Ölgemälde „Friedrich der Grofse auf Reisen“, 1855 „Frie-
drich bei der Huldigung in Breslau“, 1856 die packend lebendige
Schilderung der Schlacht bei Hochkirch (im Königl. Schlosse zu Berlin)
und 1857 die „Begegnung Friedrichs mit Joseph II. in Neifse“. Zwei
andere Bilder aus der Geschichte Friedrichs des Grofsen blieben leider
unvollendet infolge des Auftrags, die Krönung König Wilhelms in
einer grofsen Komposition zu verewigen, die, für das Königl. Schlofs
in Berlin bestimmt, den Künstler 1861—65 beschäftigte. Durch dieses
 
Annotationen