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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Cain, Georges: Marats Büste an den Markthallen
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Courtois, Gustave: Der Tod des Archimedes
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Salentin, Hubert: Das Maifest
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0017

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MODERNE KUNST.

nicht abzusprechen, auf die Massen ausübte. Ohne geistige Bedeutung,
in seiner Gesinnung von ebenso abstofsender Gemeinheit wie in seiner
äufseren Erscheinung, ein Feigling, der in entscheidender Stunde vor-
sichtig von der Bildfläche zu verschwinden wufste, als Politiker unklar
und verworren, hatte er jene verhängnisvolle Macht einzig der beispiel-
losen Frechheit zu danken, mit welcher er den niedrigsten Instinkten
des Pöbels zu schmeicheln, die ruchlosesten Ausschreitungen zu glori-
fizieren und seine Gegner in Furcht zu halten verstand. Die Ge-
schichte der französischen Revolution ist zu bekannt, als dafs es
breiterer Ausführung bedürfte, wie Marat, durch Danton emporge-
hoben, bald die fanatischten Revolutionsmänner in Schatten stellte,
wie er als Hauptperson im „Wohlfahrtsausschufs“ jene fürchterlichen
Mordszenen veranlafste, von den eigenen Genossen in Anklagestand
versetzt, als Triumphator aus dem Prozefs hervorging, um dann mit
gesteigerter Wut seine gräuelvolle Thätigkeit fortzusetzen, bis die-
selbe durch den Dolch der Charlotte Corday ihr Ende fand. Doch
auch sein Tod war noch von den traurigsten Folgen begleitet, indem
er weitere Blutgerichte nach sich zog. Marat selbst aber wurde nun-
mehr bei den Anhängern seiner Richtung der Gegenstand eines
förmlichen Kultus; seine Leiche ward im Garten der Cordeliers be-
stattet und sein Herz in einer kostbaren Urne aufbewahrt, seine Büste
ward öffentlich aufgestellt und erfuhr seitens des Volkes Huldigungen
wie die eines Heiligen. Im November 1793 wurden seine Über-
reste unter grofsem Gepränge ins Pantheon übergeführt; doch zum
Zeichen dafür, wie unbeständig die Gunst der Massen, sollten sie
nicht lange daselbst verbleiben. Die von einem Journalisten ver-
öffentlichte Äufserung Marats, dafs die monarchische Regierungsform
die einzig angemessene für Frankreich sei, war ein genügender Grund,
die Gebeine aus dem Pantheon und die Büsten von den öffentlichen
Plätzen zu entfernen, und zerstörte mit einem Male den Nimbus, der
das Andenken des „Freiheitsmärtyrers“ umgeben hatte.

VII.

DER TOD DES AROHIMEDES.
VON
GUSTAVE COURTOIS.
der Geschichte der exakten Wissenschaften wird
Archimedes, der im 3. Jahrhundert vor Christus zu
Syrakus lebte, stets als einer der gröfsten Entdecker
allein
wich-
Statik
Gesetz
zu entdecken und die Mechanik durch Auffindung
der Hebelgesetze und eine Menge praktischer Er-
findungen auf eine Flöhe zu erheben, die im Hinblick
auf das, was er in der damaligen Wissenschaft vor-
fand, nicht genug bewundert werden kann. Die Wasserschraube, der
Flaschenzug, das berühmte Planetarium gehören zu den Ergebnissen
seines rastlosen Forschens; selbst die Kraft des Dampfes kannte er
bereits und versuchte sogar, dieselbe für Geschütze zu verwerten.
Höchsten Ruf erwarben ihm seine erstaunlichen Kenntnisse bei der
Verteidigung von Syrakus, als dasselbe 212 von den Römern belagert
wurde. Nach den Berichten der Alten schädigte er dieselben in
hohem Grade durch die von ihm konstruierten Maschinen, vermittels
deren er ungeheure Steinmassen auf die Angreifer schleuderte, ja
durch Brennspiegel soll er aus der Ferne die feindlichen Schiffe in
Brand gesteckt haben. Indessen vermochte auch seine Kunst das

genannt werden. Gelang es ihm doch nicht
im Bereiche der Geometrie eine Reihe der
tigsten Probleme zu lösen, sondern auch die
theoretisch zu begründen. das hydrostatische


Verderben von der Stadt auf die Dauer nicht abzuhalten. Bei ihrer

Erstürmung war er daheim vertieft in mathematische Figuren, die er
in den Sand gezeichnet hatte, und als er der Plünderer gewahr wurde,
die in seine Wohnung drangen, rief er dem ersten derselben das
bekannte Wort zu: „Zerstöre meine Kreise nicht!“ Nicht wissend,
dafs er den berühmten Mann vor sich habe, den der römische Feldherr
zu schonen befohlen, stiefs der rohe Krieger den Greis nieder. Seine
Grabstätte ward mit einem Denkmal geschmückt, an dem eine Kugel
und ein Cylinder angebracht waren und welches später Cicero unter
dichtem Gestrüpp wieder auffand.

VIII.

DAS MAIEEST.

VON
HUB, SALENTIN.


Menschen des Mittelalters

Wie sich so mancher alte Volks-
gebrauch, den nüchternere Zeiten ver-
drängten, in den Spielen der Kinder-
welt noch als Nachklang erhalten hat,
so liegt auch dem fröhlichen Zuge, den
Salentins Gemälde vorführt, eine schöne
alte Sitte zu Grunde, die einst vom Ge-
stade der Ostsee bis in die sonnige
Provence alljährlich beim Beginne des
Wonnemonds in ihr Recht trat. Noch
in innigem Verkehr mit der Natur
lebend, aber auch wenig geschützt
vor ihren Unbilden, empfanden die
doppelt froh das Entweichen des Winters,

der schon in der heidnischen Sage als menschenfeindlicher Riese

verrufen war und dem man als Verkörperung der schönen Jahreszeit
das siegreiche Paar des „Maigrafen“ und der „Maigräfin“ gegenüber-
stellte. Die Träger dieser Rollen wurden von den Dorfbewohnern
aus ihrer Mitte gewählt, oder es erkor sich auch wohl der Maigraf
selbst seine Gefährtin, indem er ihr den bräutlichen Kranz darreichte.

Bei Anbruch des ersten Maitags hielt dann das Paar seinen Einzug
ins Dorf, in Begleitung von Spielleuten, die frohe Weisen erschallen
liefsen, und der aus dem Walde geholte „Maibaum“ wurde auf dem
Gemeindeplatz aufgestellt, wo mit Gesang und Tanz die Wiederkehr

der schönen Jahreszeit gefeiert ward.
Der Maler unseres Bildes, Hubert Salentin, geboren am 15. Januar
1822 zu Zülpich in der Rheinprovinz, konnte erst in seinem 28. Lebens-
jahre, nachdem er zuvor als Hufschmied tätig gewesen, seiner Neigung
zur Malerei folgen und die Düsseldorfer Akademie besuchen, wo er
sich unter Leitung W. Schadows, K. Sohns und später als Privat-

schüler Tidemands ausbildete. Er behandelt mit Vorliebe Szenen aus

dem ländlichen Volksleben der westdeutschen Gegenden und weifs
seine meist anmutig-heiteren Gestalten mit der landschaftlichen Um-
gebung in harmonischen Einklang zu setzen. Unter seinen fleifsig
durchgeführten, meist in hellen Tönen sich haltenden Gemälden sind
besonders zu nennen: „Das Findelkind“, „Die Predigt des Eremiten“,
„Der Schmiedelehrling“, „Der Grossmutter Geburtstag“, „Brautzug
spielender Kinder“, „Die Taufpatin“, „Die Dorfkirche“, „Wallfahrer
ah der Kapelle“ (1870, Berliner Nationalgallerie), „Hol’ über!“ (1872),
„Die kleinen Gratulanten“ (1879), „Hirtenkinder“ (1880), „Adam und
Eva“ und, last not least, das „Hirtenmädchen“, eine köstliche Idylle
von zartester Empfindung, die auf der vorjährigen akademischen
j Kunstausstellung zu Berlin dem liebenswürdigen Künstler viele neue
Freunde gewonnen hat.
 
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