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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Thumann, Paul: Studienkopf
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Eisenhut, Ferenc: Der Schriftgelehrte
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0065

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XXXV.

S T UDI E N K O P F
VON
PAUL THUMANN.

Unter den Bildern, welche auf der vor-
jährigen Berliner Kunstausstellung Auf-
sehen erregten, befand sich ein Gemälde
von Paul Thumann, „Die Parzen“, eine
fein erdachte Darstellung der drei Schick-
salsgöttinnen, welche in ihrer anmuthigen
Gruppirung und charakteristischen Gestal-
tung das Auge jedes Beschauers fesselten.
Der Erfolg des Bildes war ein grosser;
man freute sich des gelungenen Wurfes,
den der Berliner Meister gethan hatte.
Von jeher hat in der Wiedergabe an-
muthiger Darstellungen die Hauptstärke
Paul Thumann. Thumann’s gelegen, und deshalb weisen
auch diejenigen Bilder, in denen das Sinnige,
Stimmungsvolle überwiegt, grössere Vorzüge auf, als die auf den Effekt
des Pathos berechneten. Die Richtigkeit dieser Behauptung ergiebt sich
aus dem Vergleich zwischen den Lutherbildern des Künstlers — von denen
namentlich das bekannte „Luthers Trauung“ in Betracht kommt — und
den die älteste deutsche Geschichte zur Darstellung bringenden Gemälden,
wie „Wittekind’s Taufe“ und „Rückkehr der Deutschen aus der Schlacht im
Teutoburger Walde“. Auch unter den Genrebildern giebt es eine grosse
Anzahl ungemein lieblicher Bilder, welche das grosse Talent des Malers
bekunden; eine geradezu mustergültige Arbeit dieses Gebietes ist das im
ersten Jahrgange der „Modernen Kunst“ veröffentlichte Bild „Liebesfrühling“.
Auch der in vorliegender Lieferung publicirte „Studienkopf“ ist durch die
vortreffliche Darstellung weiblicher Anmuth ausgezeichnet.
Thumann’s Entwicklungsgang ist kein allzu leichter gewesen; zahlreiche
äussere Schwierigkeiten waren zu überwinden, ehe der Künstler ungehindert
sich seinem Berufe widmen konnte. Als Sohn eines unbemittelten, aber
von regem Kunstsinn erfüllten Dorfschullehrers am 5. Oktober 1834 zu
Gross-Tschacksdorf in der Niederlausitz geboren, erhielt Thumann bereits
in der Jugend Anleitung zu künstlerischem Schaffen, das durch das Studium
einer Bildersammlung in der Stadt Pforten, die etliche Kopien berühmter
Werke aus der Dresdener Galerie aufwies, gefördert wurde. Bei einem
Prediger in Pforten genoss Thumann gründlichen Unterricht bis zu seinem
fünfzehnten Jahre, dann trat er, zur Wahl eines praktischen Berufes genöthigt,
in das Geschäft von C. Flemming in Glogau als Zeichner und Lithograph
ein. Erst im Jahre 1853 konnte der Jüngling die Berliner Akademie be-
ziehen, drei Jahre später begab er sich nach Dresden, wo er durch den
Unterricht Julius Hübners bedeutend gefördert wurde. Dort entstand auch,
äusser einer Anzahl von Portraits, sein erstes grösseres Bild, ein Altarbild
der heiligen Hedwig, das für Liegnitz bestimmt war. An der Kunstschule
zu Weimar beendigte Thumann seine Studien, die inzwischen durch seine
Thätigkeit als Illustrator und Zeichner für den Holzschnitt eine Unter-
brechung erfahren hatten. Nach einer längeren Reise durch Italien, Frank-
reich und England kehrte er 1866 nach Weimar zurück, um dort die ihm
angetragene Professur zu übernehmen. Im Jahre 1872 ging er als Professor
nach Dresden, drei Jahre später, 1875, erhielt er eine Berufung an die
Berliner Kunstakademie, aus welcher Stellung er vor Kurzem geschieden ist.
Neben den bereits genannten historischen und Genrebildern ist es die
Wirksamkeit als Illustrator gewesen, welche Thumann’s Namen in weite
II. 6.


Kreise des Volkes trug. Die vielfach angefochtene Mode, die Werke unserer
grossen Dichter zu illustriren, hat unzweifelhaft das eine Gute gehabt, einer
Anzahl von Malern Gelegenheit zu geben, eine Fülle von malerischen
Motiven auszustreuen, die ihrerseits wieder auf den Kunstsinn des grossen
Publikums einwirkten. Es ist auf dem Gebiete des Illustrirens viel gesündigt
worden — die „Prachtwerke“ sind zu einer wahren Plage geworden und
nur zu oft hat die Kunst des Zeichners auch minderwerthigen Schöpfungen
zu einem Erfolge verhelfen —• aber die Angriffe der Feinde der fogenannten
„Tapezierliteratur“ gehen doch zu weit, wenn sie jeder Nachhilfe durch
den Maler den Krieg erklären. Auch Thumann hat sich nicht immer von
Fehlgriffen frei gehalten, einzelne seiner Werke sind weniger gelungen, aber
im Grossen und Ganzen hat er es, wie nur wenige unter seinen Genossen,
verstanden, sich dem Wesen des jeweilig vorliegenden Dichterwerkes anzu-
passen. Nicht immer zeigten seine Arbeiten eine besondere Originalität
—• bei der grossen Anzahl der Schöpfungen auch eine schwer zu erfüllende
Forderung — aber stets waltete in ihnen ein vornehm künstlerischer,
anmuthiger Geist vor, dem namentlich ein feines Formgefühl eigen war.
Aus der Fülle der so geschaffenen Arbeiten erwähnen wir die Illustrationen
zu Goethe’s „Dichtung und Wahrheit“, „Torquato Tasso“ und „Egmont“,
zu Tennysons „Enoch Arden“, Karl Gerok’s „Palmblätter“, Chamisso’s
„ Frauen - Liebe und Leben“, Hamerling’s „Amor und Psyche“ und zum
„Vaterunser“. Dass sich auch in diesen Arbeiten die Verkörperungen weib-
lichen Liebreizes besonders auszeichnen, ist nach dem Gesagten selbst-
verständlich. Bewunderungswürdig ist aber auch die Gestaltungskraft des
Künstlers, die den verschiedensten Aufgaben mit einer Leichtigkeit gerecht
wurde, um die ihn viele jüngere Maler beneiden können. Dass diesem
beweglichen Talente eine Grenze nach der Seite der monumentalen, pathe-
tischen Darstellung gesetzt ist, mindert nicht den Werth der künstlerischen
Erscheinung, die zu den in Deutschland wahrhaft volksthümlichen gehört.

XXXVI.
D E R S C H RIF T G E L E H R T E
VON
FRANZ EISENHUT.

Ungarn, das Geburtsland so vieler
Talente, hat auch in jüngster Zeit eine
Anzahl von Kunstjüngern ausgesandt, die
in der deutschen Schule gross geworden
und auf deutschen Ausstellungen nicht
minder wie in den Salons von Budapest
heimisch sind. Selbst Munkacsy, das
grösste Malgenie des heutigen Ungarns,
hat in München den Grundstein zu seiner
Ausbildung gelegt, wenn auch erst die
kosmopolitische Welt von Paris ihm Ruhm
und Auszeichnung verschafft hat. Gerade
die bajovarische Hauptstadt ist von den
heissblütigen Söhnen der Puszta mit Vorliebe aufgesucht worden, in dem
heiteren, künstlerischen München scheinen sie sich besonders wohl zu fühlen.
Auch der Maler unseres Bildes „Der Schriftgelehrte“, Franz Eisenhut, gehört
zu den ungarischen Sendlingen, welche beiden Ländern, dem Heimathlande
und dem künstlerischen Adoptivlande, Ehre machen.
Franz Eisenhut — oder ungarisch: Eisenhut Ferencz — ist zu Nemet
Palanka in Ungarn am 26. Januar 1857 geboren. Acht Jahre lang besuchte


Franz Eisenhut.
 
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