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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Beinke, Fritz: Durchbrenner
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Thedy, Max: In Christo
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Fleischer, Philipp: Feierabend am St. Gotthard-Tunnel
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0050

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MODERNE KUNST.

iS

in Berlin und Wien recht beifällige Aufnahme fand. Besonders beliebt
sind die Kinderscenen und Landschaftsbilder des Künstlers, so u. A. „Rück-
kehr einer Landparthie“, „Schulausgang“, „Mädchen mit Schaafe“, welche
auf Ausstellungen eine Anzahl ehrenvoller Auszeichnungen erhalten haben.
Zu dieser Gattung anmuthiger Darstellungen gehört auch unser Bild, das
in Folgendem eine poetische Erklärung findet:
Den Weg durchs Fenster einzuschlagen,
Ist man genöthigt dann und wann,
Weil in gewissen Lebenslagen
Man nicht die Thür benutzen kann.
So steigt zur Stunde der Gespenster
Auf diesem Weg die Liebe ein;
So kann der Weg aus einem Fenster
Hinaus der Weg zur Freiheit sein.
Dies ist der Fall hierl Seine Schuhe
Wirft man hinunter vor das Haus,
Alsdann mit möglichst vieler Ruhe
Und Vorsicht steigt man selbst hinaus.
I
O Wonne, sich hinauszuschwingen
Aus enger Stube Qual und Zwang,
Die Freiheit glücklich zu erringen, .
Im Fall der kühne Sprung gelang!
Welch eine Lust, umherzustreifen
Am Sommertag durch das Gefild
Und durch den Wald, wo Beeren reifen,
Indessen fern der Lehrer schilt!
Wie ist man fröhlich, aller Plage
Entflohn und allem Weh und Ach! —
Ja, käm’ nur nicht am andern Tage
Gewöhnlich die Vergeltung nach!
J. TROJAN.

XXVI.

IN CHRISTO

VON
MAX THEDY.

Alles verlassen

Max Thedy.

mehr
Hoff-
einer

noch Lust der Welt
in welchem irdische
Wünsche für immer

Inhalt eines Lebens, in welchem
Leid
hat,
und

„Siehe da, wir haben
und sind gleichsam die Deinen“ — in kurzer
Fassung begreift die lateinische Inschrift,
die über den vier andächtigen Nonnen an
der Wand des Chores zu lesen steht, den
ganzen
weder
Raum

nungen
frommen Entsagung gewichen sind, so
heiss sie einstmals wohl die Herzen dieser
Frauen durchglüht haben mögen. Doch
kein heiterer Friede ist es, was aus ihren
Zügen spricht, sondern ein tiefer Ernst,
ln dem vielleicht doch noch ein Rest von Zweifel verborgen liegt, ob die
erwählte Bahn auch wirklich zum ersehnten Ziele führen werde.
Auch in anderen Gemälden, namentlich den „Anachoreten“ und einer
»büssenden Magdalena“ hat der Schöpfer unseres Bildes, das für die Reife
seiner psychologischen Beobachtung wie für die gründliche formale Schulung
seines schönen Talentes beredtes Zeugniss ablegt, religiösen Stimmungen


ergreifenden Ausdruck geliehen. Ausserdem hat sich Max Thedy durch
eine Reihe kleinerer Genrebilder, ein Interieur aus Holland und mehrere
treffliche Portraits hervorgethan. Am 16. October 1858 zu München ge-
boren, erhielt er seinen ersten künstlerischen Unterricht an der dortigen
Kunstgewerbeschule und bildete sich seit dem Jahre 1876 an der Münchener
Akademie weiter aus, wo er unter Leitung des Professors Ludwig Löfftz
seine Studien abschloss. Nachdem er 1882 Italien bereist, folgte er im
Januar des nächsten Jahres einem Rufe an die grossherzogliche Kunstschule
zu Weimar, wo er noch gegenwärtig als Professor der Figurenmalerei
thätig ist.

XXVII.

FEIERABEND
AJVI ST. GIlTTITAHIl-'riJXXEI

VON

PHILIPP FLEISCHER.
y'


Philipp Fleischer.

Die charakteristischen Momente der
Entwicklung unserer modernen Zeit bild-
lich darzustellen, ist bisher nur das Stre-
ben einer Minderzahl von Künstlern ge-
wesen. Es ist selbstvertändlich, dass
das Genrebild, der Studienkopf und die
Landschaft durch Colorit, Charakteristik
und Stimmung die Bewunderung der
Mitwelt erwerben und der Anerkennung
der Nachwelt sicher sein können, aber
das Verdienst, ein malerisches Dokument
der neuzeitigen Kulturepoche geschaffen
zu haben, wird doch vor allem dem

Künstler zufallen, der seine Motive aus dem vollen Leben schöpft und die
Zeitgenossen zu Zeugen der Wahrhaftigkeit seiner Künstlerthat anruft.
Bekannt ist, wie Menzel in seinem „Eisenwalzwerk“ einen anscheinend
spröden Stoff meisterte. Auch die „Moderne Kunst“ hat bereits eine An-
zahl solcher Bilder gebracht, die modern im besten Sinne des Wortes
und in denen Erscheinungen verkörpert waren, die trotz ihrer Alltäglich-
keit einen tiefen Eindruck hinterlassen. Wir erinnern nur an Höcker’s

„Gefechtsschiessen auf einem deutschen Panzerschiffe“ und an Köhlers

„Arbeiterstrike".

Eine solche moderne Arbeit eines hochtalentirten Künstlers ist das

Bild von Philipp Fleischer: „Feierabend am St. Gotthard-Tunnel.“ Wo
immer das Bild erschien, hat es die allgemeine Aufmerksamkeit gefesselt,
und selbst unter der stattlichen Schaar der auf der Berliner Jubiläumsaus-
stellung 1886 vorhandenen Gemälde kamen ihm nur wenige in der Wirkung
auf das Publikum gleich. Was das Bild Fleischers darstellt, war eben in
den Herzen aller Menschen lebendig; der gewaltige Bau, ein Triumph des
menschlichen Unternehmungsgeistes und der Fortschritte der Technik, hatte
das allgemeine Interesse erregt, wie einst der Durchstich des Isthmus von
Suez. Mit grossem Geschick war zudem der Maler bei der Composition
seines Bildes vorgegangen, einen Stoff wählend, der bei aller Lebenswahr-
heit doch hochpoetisch ist: die Rückkehr der Arbeiter aus dem Inneren
des Tunnels bei Feierabend. Man vergleicht nicht mit Unrecht jene mo-
dernen gigantischen Arbeiten mit den Heldenthaten einer früheren Zeit-
epoche, nur mit dem Unterschiede, dass die Nachwelt den unbekannten,
namenlosen Arbeitshelden kein Denkmal von Stein und Erz setzt. Wer

kennt heute noch die Namen derer, die die Leiter jenes Riesenkampfes
gegen die Gebilde der Natur waren? Und der in dem heissen Tunnel-
inneren arbeitenden Menschenmenge haben nicht einmal die unmittelbaren
Zeitgenossen anders gedacht als in jener geschäftsmässigen Weise, die die
grössere Beschwerde bei der Arbeit mit den dadurch entstehenden grösseren
Kosten und der längeren Bauzeit in Verbindung brachte.
Erst der Künstler hat das Andenken der Wackeren wieder zu Ehren

gebracht. Schlimm genug hatten sie es gehabt, die Tessiner und sonstigen
 
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