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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Simm, Franz Xaver: Ungelegener Besuch
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Spitzer, Emanuel: Sei wieder gut
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Grützner, Eduard von: Der Klosterhecht
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0137

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MODERNE KUNST.

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dem Beschauer ihr Gesicht zukehrenden Dame: aristokratisch hochmüthig
und dabei ausgelassen, ohne Ehrfurcht vor Alter und Würden.
Der Künstler, dem wir dieses anmuthige Werk verdanken, besitzt eine
eigenartige Individualität; er ist schon tüchtig in der Welt umhergewesen,
hat stets seine Augen offen gehabt und so seinem Talente eine Richtung
gegeben, die ihn von vielen anderen modernen Genremalern unterscheidet.
In Wien 1853 geboren, studirte Franz Simm auf der dortigen Akademie
unter Engerth und Feuerbach, ging dann, durch den Römerpreis ausge-
zeichnet, nach Rom, wo er fünf Jahre zubrachte und Bilder aus dem italie-
nischen Volksleben malte. Von Rom führte ihn im Jahre 1881 ein Auftrag
nach Tiflis; dort sollte er das Museum mit grossen Wandgemälden
mythologischen Inhalts schmücken. Simm führte in Gemeinschaft mit
seiner Gattin, einer Schülerin des Professor Löfftz, die Fresken dieses
Museums in Tempera aus und verwendete seine freie Zeit auf Naturstudien,
nach welchen er später Aquarelle malte. Etliche seiner Skizzen fanden
sogar Verwerthung auf einem Münchener Bilderbogen. Von Tiflis kommend
traf Simm 1883 in München ein, wo er zunächst dem Illustrationsgebiete
sich zuwandte — u. a. illustrirte er etliche Theile der Hallberger’schen
Goethe-Ausgabe - und auch als Mitarbeiter an den „Fliegenden“ Erfolge
zu verzeichnen hatte. Seitdem hat er eine Reihe grösserer Werke geschaffen,
in welchen sein originelles Talent zum Ausdruck kam. Auf der Berliner [
Jubiläumsausstellung war Simm durch eine kolorirte Skizze einer als Wand-
bild gedachten Madonna mit dem Kinde — ganz im Geschmack der
italienischen Renaissance — vertreten. Seine orientalischen Kenntnisse hat
er neuerdings in dem wiederum in Gemeinschaft mit seiner Gattin gemalten
Dioramenbilde: „Harem-Interieur“ verwerthet, welches für Leipzig bestimmt
ist. Auf allen Gebieten weist der Künstler eine äusserst glückliche
Gestaltungskraft auf, und es ist zu hoffen, dass derselbe noch in Zukunft
Grosses vollbringen wird.

LXXVIII.

VON


EMANUEL SPITZER.
Wir haben erst vor Kurzem bei Gelegenheit der Reproduktion des
Spitzer’schen Bildes „ Heimliche Lektüre “ den Entwicklungsgang
des Künstlers unseren Lesern vorgeführt und können uns daher mit einem
Hinweise auf das dort Gesagte begnügen. Auch das die vorliegende Lie-
ferung schmückende Bild: „Sei wieder gut!“ fand damals ausführliche Be-
schreibung. Das liebenswürdige Gemälde nun selber kennen zu lernen,
wird unseren Lesern und namentlich Leserinnen gewiss ein besonderes
Vergnügen bereiten.

LXXIX.

DER KLOSTERHECHT


VON
E. GRÜTZNER.
duard Grützner, der gefeierte Maler so vieler lustiger Bilder,
ist in Schlesien geboren. Am 26. Mai 1846 erblickte er
zu Karlowitz bei Neisse, Regierungsbezirk Oppeln, das
Licht der Welt. Seine Eltern waren arme Bauern, welche
den Sohn zum geistlichen Stande bestimmten. In frühen
Jahren musste er als Ministrant und auf dem Chore der
Kirche thätig sein; später wurde er auf Veranlassung
des Ortspfarrers nach Neisse auf das Gymnasium gebracht.
Das in dem Knaben steckende Talent offenbarte sich
schon sehr früh; freilich waren es nur Karikaturenzeich-
nungen , welche der Gymnasiast zum Schrecken seiner
Lehrer entwarf. Glücklicherweise wurde ein schlesischer

Baumeister, Herr Hirschberg, der nach München übergesiedelt war, bei
einem Besuche auf das Treiben des Knaben aufmerksam; er nahm einige

Zeichnungen mit, um in München sich zu erkundigen, ob wirkliches Talent
vorhanden sei. Piloty’s Urtheil lautete günstig und die Uebersiedlung des
Jünglings nach München erfolgte endlich, (nachdem Herr Hirschberg noch
das Reisegeld vorgeschossen hatte, im Jahre 1864. Grützner begann in
der Vorschule seine ersten Studien; dann trat er in die königl. Kunst-
akademie ein, ein paar Jahre später befand er sich bereits in Piloty’s Schule.
Seine ersten Bilder waren sieben Deckengemälde auf Leinwand, welche die
Künste darstellten. Später folgten einige Genrebilder, welche gleich Käufer
fanden und den Künstler in den Stand setzten, die bisherigen Unter-
stützungen zurückzuzahlen.
Frühzeitig behandelte Grützner die beiden Stoffe, welche seinen Namen
so populär machen sollten: das Falstaff-Thema und die Klostergeschichten.
Er hatte seine Begabung für das Komische erkannt und arbeitete uner-
müdlich darauf hin, sich immer mehr zu vervollkommen. Es ist erstaunlich
und nur dem grossen Talente Grützner’s zuzuschreiben, dass man niemals
bei seinen Bildern ein Gefühl der Abgestumpftheit gegen das Genre hat;
wie oft der Künstler uns auch seine Mönche, seine Wein- und Biertrinker
und seinen Falstaff vorführt, immer wirkt er neu, weil wahr; seine Dar-
stellungen und Charakteristiken sind von einer solch vollendeten Feinheit,
dass der Beschauer nie den Vorwurf der Einseitigkeit erheben kann. Wer
so viel geistigen Inhalt seinen Bildern zu geben vermag, wie Grützner,
bleibt vor der banalen Wiederholung gefeit.
Im Jahre 1869 erschien die erste Fallstaffscene; später folgten, äusser
verschiedenen Shakespeare - Interpretationen (Auftritte aus der „Bezähmten
Widerspenstigen“ und aus „Was Ihr wollt“) die bekannten Kohlencartons, in
denen eine ganze „Falstaffiade“ niedergelegt ist (Originale im Breslauer
Museum). Diese Bilder machten Grützner’s Namen überall populär; auch
das Ausland, namentlich England und Amerika, schloss sich dem Beifall
der Landsleute an. Seit dem Jahre 1885 ist Grützner von der bekannten
Verlagsfirma Cassel in London für die Illustration der Falstaffpartien einer
grossartigen Shakespeare-Ausgabe gewonnen worden.
Man kann die Genrebilder Grützner’s je nach der Zusammengehörigkeit
des Dargestellten in verschiedene Gruppen einordnen, aber immerhin ist
bei vielen die Angabe der Rubrik nicht möglich. Der Künstler greift seine
Stoffe aus dem Leben; er klügelt sie nicht aus, sondern lässt seine Be-
obachtungen und Erfahrungen sprechen; hier ist es ein Jäger, dort ein
Bauer, hier ein Mönch, dort ein zerlumpter Kerl, den er vor uns hinstellt,
alle diese Menschenklassen mit jener unbarmherzigen Wahrheit schildernd,
die nur dem wirklichen Talent zu Gebote steht. Aus diesem Grunde ist
der Grützner’sehe Humor nie verletzend; man lacht wohl über die Gestalten,
verspottet sie aber nicht. Auch an einfachen Genrebildern fehlt es nicht;
hierher gehören „Schwere Wahl“ und „Einfadeln“ (zwei Liebesscenen), ferner
„Der Alterthümler“, „Narr mit Papagei“ u. s. w.
Dem Jägerstande sind die Bilder „Jägerlatein“, „Sonntagsjäger“ und
„Eine Jagdgesellschaft“ gewidmet. Für alle Trinker dagegen berechnet sind
etliche der besten Arbeiten Grützner’s, so „Der schlesische Zecher und
der Teufel“ (nach dem Gedichte: „Auf Schlesiens Bergen wächst ein
Wein“ etc.) und „Bier, Wein und Schnaps“ — eine Art von humoristisch-
satirischer Trilogie —, während die „Branntweinschenke“ und „Ein „Klee-
blatt“ dem nur spirituosen Getränken huldigenden Theile der Menschheit
als warnende Beispiele dienen können. „Bier, Wein und Schnaps“ stellt
eigentlich drei Bilder vor; auf dem linken sehen wir drei Biertrinker, im
Hintergründe schäkert die Kellnerin mit dem Schatz; das mittlere zeigt
vier Dominikanermönche, welche mit der Gabe des Gottes Bacchus be-
schäftigt sind, und in dem dritten zur rechten Seite befindlichen Bilde
erblickt man die Folgen des Schnapsgenusses; einer der Zecher ist ein-
geschlafen, ein zweiter, nicht minder Besiegter wird von der Frau nach
Hause geführt, und nur der dritte Saufkumpan hält noch den verderblichen
Einwirkungen des Fusels Stand. Auch die „Branntweinschenke“ giebt eine
Schilderung des Elendes, das der ständige Besuch dieser Lokale herbei-
führt; die äusserst fesselnde Charakteristik der einzelnen Trinkergestalten
wird auch den interessiren, welcher dem Stoffe selbst kein grosses Wohl-
wollen entgegenbringt.
Freundlicher sind die das Klosterleben schildernden Bilder Grützner’s.
Trunk und Küche spielen auch hier eine grosse Hauptrolle, aber Alles ist
aufs Gemüthliche, Joviale angelegt und ein Zuviel gar nicht denkbar. Die
Bilder „Der Klosterkeller“, „Bei Hochwürden zu Tisch“, „Klosterbier“,
 
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