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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 2.1888

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Kirberg, Otto: Holländische Kirmes
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Vezin, Frederick: Ruderregatta auf der Themse
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https://doi.org/10.11588/diglit.47974#0104

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MODERNE KUNST.

53

LXI.
HOLLÄNDISCHE KIRMES
VON
OTTO KIRBERG.
as im Jahre 1879 zur Ausstellung gelangende Bild „Ein
Opfer des Meeres“ begründete den Ruf Otto Kirberg’s.
Ihm wurde nicht nur die kleine goldene Medaille, sondern
auch die Auszeichnung zu Theil, dass die Nationalgalerie
das Gemälde ankaufte. Das Bild stellt den Schlussakt
jener Tragödie dar, welche das Meer in nur zu schnell
aufeinander folgenden Zeiträumen aufführt — jenes grau-
sigen Kampfes zwischen dem schwachen Menschen und der
kolossalen Macht der entfesselten Natur. Das Bild führte
den damals neunundzwanzigjährigen Künstler in die erste
Reihe derjenigen Genremaler, welche in ihren Arbeiten
einen tiefen, Herz und Empfinden des Beschauers be-
rührenden Gedanken verkörpern. Mit ungewöhnlicher Kraft war die düstere
Scene wiedergegeben, mit grosser Genialität die Trauer und die Bestürzung
geschildert, welche das Heimbringen des Leichnams eines Seemanns in
den Kreis der Seinen hervorruft. Der Maler hatte seinem Bilde ein hollän-
disches Motiv untergelegt und ist seitdem mit Vorliebe, ja man könnte
sagen, fast ausschliesslich, dem holländischen Stoffgebiete treu geblieben.
Ein Pendant zu dieser Darstellung eines tragischen Geschicks hat er unlängst
in dem Bilde „Nach dem Sturm“ gemalt, das ebenfalls den Opfern gewidmet
ist, die das Meer fordert. Das auf der Berliner Jubiläumsausstellung vielfach
bewunderte Bild zeigt uns den Schmerz des unglücklichen Weibes, welches,
von banger Ahnung an den Strand getrieben, den Gatten als Leiche wieder-
findet. Kameraden tragen den entseelten Körper über die kahle, vom Winde
bestrichene Düne, während im Hintergründe das Wrack des Schiffes, den gierig
emporzüngelnden Wellen einen letzten, vergeblichen Widerstand entgegen-
setzend, sichtbar wird. Wie in jenem ersten Bilde boten der naturwahre
Ausdruck des tiefen Schmerzes und die schmucklose, aber desto ergreifender
wirkende Schilderung des Vorganges grosses künstlerisches Interesse.
Gleich den meisten Freunden und Schilderern des Meeres ist auch
Otto Kirberg ein Binnenländer. Seine Wiege stand in Elberfeld, dort
wurde er im Jahre 1850 geboren. Ursprünglich für den Kaufmannstand
bestimmt, gab er nach vierjähriger Thätigkeit den kaufmännischen Beruf
auf und ging 1869 nach Düsseldorf, um sich als Maler auszubilden. Das
Jahr 1870 führte ihn in den deutsch-französischen Krieg; verwundet kehrte
er heim, um seine Studien unter Wilhelm Sohn in Düsseldorf fortzusetzen.
Er blieb auch dann, als er 1879 seinen ersten Erfolg zu verzeichnen hatte,
dieser Stadt treu, von wo aus ihn zahlreiche Reisen in die verschiedenen
Gebiete Hollands führten, dessen Bewohner und Sitten er aufs eifrigste
studirte. Dass nicht alle seine Gemälde tragische Stoffe behandeln, beweist
das von uns in der vorliegenden Lieferung reproducirte Bild „Holländische
Kirmes“. Dasselbe erschien zuerst 1883 auf der Internationalen Kunst-
ausstellung in München und fand allgemeinen Beifall. Auch in den letzten
Jahren hat Kirberg eifrig die Ausstellungen beschickt; so erschienen 1887
in Berlin die Genrebilder „Vor dem Spiegel" und „In Gedanken“, während
die diesjährigen Ausstellungen in Wien, München und Berlin die Gemälde
„Sorgenvoll“, „Ein lustiges Abenteuer“ und „Der einzige Trost“ aufwiesen.
Allen diesen Arbeiten ist eine gewissenhafte künstlerische Durcharbeitung
und eine äussere Effekte verschmähende Technik eigen.
Die Kirberg’sche Darstellung einer „holländischen Kirmes“ zeigt uns
die Holländer als ein lustiges Völkchen. So wenig diese Anschauung uns
geläufig ist, so stimmt sie doch mit den Thatsachen überein — die Kirmes
spielt bei den Holländern dieselbe Rolle wie der Karneval bei den Italienern.
Das Fest dauert mindestens acht Tage, da der holländische Bauer, wenn
er sich einmal zu amüsiren beginnt, dann auch eine Ausdauer entwickelt,
welche die sprichwörtlich gewordene Zähigkeit des holländischen Charakters
nicht Lügen straft. Jeder Ort hat seine besondere Kirmes, die durch die
Anwesenheit der wandernden Künstlergesellschaften einen besonderen Reiz
erhält. Sobald das Fest beginnt, zieht der Bauer mit seinen im Sonntags-


schmuck prangenden Familienmitgliedern zum Marktplatz, auf dem gewöhn-
lich die Hauptaktionen sich abspielen. Welche Schönheit den Holländerinnen
verliehen ist, zeigt uns ein Blick auf die rechte Seite des Bildes, wo der
Maler eine Anzahl lieblicher Mädchen, deren Hauben und Goldschmuck
weithin leuchten, versammelt hat. Im Triumphzuge bringen die Bauern-
burschen einen ihrer Genossen herbei, dem das Glück zu Theil geworden,
als Vortänzer und Hauptlärmmacher erkoren zu sein. Der Tanz spielt
selbstverständlich eine grosse Rolle bei der Kirmes. Die spröde, sittsame
Holländerin ist nicht wiederzuerkennen in den Tagen der Festesfreude;
unermüdlich schwebt sie am Arme des Geliebten dahin, den Reiz der
gebotenen Freuden voll geniessend. Es wäre ein schrecklicher Gedanke
für ein holländisches Mädchen, an einem solchen Tage sich ohne Schatz
zeigen zu müssen, und so kommt es häufig genug vor, dass diejenigen,
welche zu hässlich sind, um einen ständigen Liebhaber zu besitzen, ihre
Spargroschen hingeben und sich einen Bräutigam auf Zeit miethen. Dass
das Fest nicht immer harmonisch endet, sondern Streit mit Worten und
Thätlichkeiten ausbricht, kann nicht Wunder nehmen, wenn man bedenkt,
dass der Branntwein beim Holländer eine Hauptrolle spielt. Während das
junge Volk sich auf seine Art amüsirt, besuchen die Alten die verschiedenen
Schenken, rauchen ihre „Pijpjes“ und trinken sich fest, bis spät in der Nacht
Alles ermüdet und erschlafft sein Lager aufsucht, um am anderen Morgen
von Neuem zu beginnen. Erst wenn die Kirmes vorbei ist, die Künstler
verschwunden, die Kuchenbäcker ihre leckere Waare an einen anderen Oit
gebracht haben — erst dann kehrt der Bauer heim, um in harter Arbeit das
Geld wieder zu erwerben, was die Kirmes in wenigen Tagen verschlungen.

LXII.

RUDERREGATTA AUF DER THEMSE

VON
FRED VEZIN.


Fred Vezin.
als Verständniss entgegengebracht
sportlicher Dinge die Kritik eines
Stellungen gegenüber fühlt sich auc

Die Marine-Malerei hat in neuester
Zeit Anklang beim Publikum und bei
den Malern gefunden. Die glänzende
Entwicklung der deutschen Seemacht,
welche jetzt unter der besonderen
Protektion Kaiser Wilhelm’s II. und
des Prinzen Heinrich steht, wird dieses
Interesse immer mehr verstärken. Auch
der an allen Orten auf blühende Wasser-
sport trägt dazu bei, die Theilnahme
des Publikums für die Darstellung der
Vorgänge auf dem Wasser zu steigern.
Während dem Bilde, welches das Leben
auf den Kriegsschiffen oder letztere
selber schildert, mehr Bewunderung
wird, fordert die Schilderung wasser-
jeden Beschauers heraus. Diesen Dar-
1 der Binnenländer als Kenner; hat er

auch zwar nie im Training gestanden, so ist doch sein Blick für die viel-

fachen Erscheinungen, welche der Ruder- oder Segelsport bietet, geschärft,
und stolz paradirt er mit den wenigen fachmännischen Ausdrücken, welche

er im Verkehr mit den Eingeweihten aufgefangen hat. Die naive Freude,

welche meist in diesen kunstkritischen Aeusserungen sich offenbart, ist auch

eine Anerkennung, die den Künstler erfreut. Wie oft hat man den Genre-

malern den Vorwurf gemacht, dass sie an den Aeusserungen des Volks-

lebens achtlos vorübergehen, dass sie ewig dieselben Motive vorbringen,
anstatt aus der Fülle der poetischen oder interessanten Erscheinungen, die
unser so entwickeltes Kulturleben bietet, zu schöpfen. Die Erfolge, welche
die Künstler erzielten, die keck in das moderne Treiben hineingriffen, sind
in der That der beste Beweis für die Berechtigung jener Anklage. Die
heutige Zeit ist eine kritische ; das Sentimentale findet keinen Beifall mehr;
kräftige, dramatisch bewegte, jedermann verständliche Stoffe erzwingen sich
dagegen eine Beachtung, die um so schwerer wiegt, je grösseren Antheil
an der Kunst die breiten Schichten des Volkes nehmen.
 
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